Aus dem Kindergottesdienst ist auch die Jugendarbeit von Emmaus hervorgegangen. Sowohl der spätere "Jünglings-" bzw. Jungmännerverein wie der "Jungfrauen-" bzw. Jungmädchenbund erwuchsen aus dem 1893 von Pfarrer Nierhoff gegründeten Verein der ehemaligen Sonntagsschüler - so die alte Bezeichnung. Über den Jungmädchenbund ist wenig überliefert. Es gab regelmäßig Bibelstunden. Als die Pfarrgehilfinnen später die Betreuung der jungen Mädchen übernahmen, traf man sich fast an allen Wochentagen und es kamen neue Elemente in die Zusammenkünfte. So gab es seit den zwanziger/dreißiger Jahren neben Gesang und religiöser Erbauung auch Turnen und für besonders Interessierte eine wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft.
Ebenfalls für Mädchen und jüngere Frauen war der Missionsnähverein gedacht, der 1908 gegründet wurde. Man kam zweimal im Monat zu gemeinschaftlichen Handarbeitsstunden zusammen. Die Arbeiten oder deren Erlös gingen an die Äußere Mission. Zeitweise gehörten dem Verein an die 50 junge Frauen an.
Die Kurrende mit Diakon Glasow
Das Gedeihen des Jünglings- bzw. Jungmännervereins, wie er sich später nannte, war anfangs sehr behindert, weil keine geeigneten Räume für die Zusammenkünfte zur Verfügung standen. Und selbst für die Anmietung der bestehenden Provisorien ging der Gemeinde das Geld aus. Erst ab 1906, als der spätere Küster Emil Rupp von der Stadtmission nach Emmaus kam und als Gemeindehelfer mit dem Verein einen neuen Anlauf wagte, kam es zu einem Aufschwung. Wesentlich dazu beigetragen hat sicher auch die 1909 in Treptow als "Spiel- und Turnplatz für die Jugend" eingerichtete Emmauslaube. Der schon erwähnte Älteste Herr Tabbert stiftete 1911 eine überdachte Unterkunft mit einer kleinen Teeküche, so daß man vom Wetter unabhängig und gut versorgt im Grünen sein konnte. Die Laube wurde zu einem beliebten Aufenthalt für Jung und Alt. Sie war, wie ältere Gemeindeglieder augenzwinkernd berichten, auch ein Ort, wo etliche Ehen angebahnt wurden und junge Leute unter "schicklichen Umständen" zusammensein konnten. Die Bewirtschaftung der Laube brachte auch Geld ein. Mit diesem Geld konnten dann angemessene Räume für den Jngmännerverein finanziert werden. Ab 1915 hatte der Verein seine Unterkunft in der Eisenbahnstraße 13. Eine glückliche Hand in der Leitung des Jungmännervereins bewies der 1917 in die Gemeinde gekommene Pfarrer Hermann Freybe. Herr Kinder, der in Emmaus groß geworden ist und selbst lange dem Verein angehörte, berichtet von der straffen Organisation des Vereinslebens unter seiner Führung. Pfarrer Freybe verstand es offenbar, Disziplin zu verbinden mit Forderungen und Aufgaben, die die Jugendlichen gern annahmen und die ihnen das Gefühl von Bedeutung vermittelten. Er schildert auch, wie ausgefüllt jeder Tag war, wenn man dem Jungmännerverein angehörte. Es gab Sport, Spielabende und Vorträge zu bestimmten Themen, die Jugendliche aus den älteren Abteilungen selbständig vorbereiteten und hielten. Wanderungen und Fahrten stärkten das Gemeinschaftsgefühl. 1925 ging aus dem Jungmännerverein der heute noch existierende Posaunenchor hervor. Sein Gründer und erster Leiter war Otto Erfurth, ihm folgte 1927 Georg Katsch. Für die Jüngeren gab es einen Trommler- und Pfeiferchor und die 1926 von Diakon Glasow eingerichtete Kurrende.
Der Emmaus-Kirchenchor 1898
Mit der Einweihung der Emmaus-Kirche trat sehr bald ein Kirchenchor ins Leben. Im Oktober 1893 unter der Leitung des Organisten Martin Wiedermann gegründet, soll er bereits zwei Jahre später an die hundert Mitglieder gehabt haben. Viele von ihnen verzogen im Laufe der Jahre aus dem Gemeindegebiet und kamen dennoch weiter zu den wöchentlichen Chorproben. Herr Wiedermann hat den Chor offenbar zu großer Reife geführt, denn es kamen unter seiner Mitwirkung große und anspruchsvolle Musikwerke zur Aufführung wie Händels "Messias" und Oratorien von Bach. Die alljährlichen großen Kirchenkonzerte zum Besten der Armen- und Krankenpflege erbrachten bedeutende Summen und bildeten einen gewichtigen Posten in der Wohlfahrtskasse. Nach dem Tod Wiedermanns im Jahr 1930 übernahm sein Nachfolger im Organistenamt Willy Krüger auch die Leitung des Kirchenchores.
Es gab unter dem Dach der Emmaus-Gemeinde einen Zweigverein der Berliner Frauenhilfe zum Besten der VIII. Pflegestation auf dem Lausitzer Platz. Gründerin und Leiterin dieser Vereinigung war ebenfalls die schon erwähnte Frau Bertha Tabbert. Mit den beträchtlichen Einnahmen dieses Vereins wurde die Pflegestation finanziert, die neben Emmaus auch Tabor, Martha, Ölberg und St. Thomas betreute. Auch hier versahen Schwestern aus Bethanien den Dienst, der vor allem in der Hauspflege und Betreuung Schwerkranker oder deren Familien bestand.
Der eigentliche Frauenverein von Emmaus aber war die aus einem 1905 von Pfarrer Walkhoff gegründeten Kreis hervorgegangene Gemeindefrauenhilfe. Hier engagierten sich unter anderem auch die Pfarrfrauen. Ziel des Vereins war in erster Linie die Unterstützung der Arbeit der Diakonissenschwestern in der Armen- und Krankenpflege. Zum einen durch Spenden und Sammlungen, zum andern durch tatkräftige eigene Aktivität. Die Frauen haben für die Bedürftigen gestrickt und genäht und regelmäßige Weihnachtsbescherungen organisiert. Aus den späten zwanziger Jahren ist bekannt, daß sie auch Mütterschulungskurse veranstalteten und Erholungsreisen für Frauen und Kinder ermöglichten. In Zeiten großer Not, wie nach dem 1. Weltkrieg und Ende der zwanziger Jahre, unterhielten sie Suppenküchen. Wir haben ein seltenes unmittelbares Zeugnis solcher Aktivitäten in einem Artikel aus "Der Tag" vom 7. Dezember 1932, der in einer Reihe über Nachbarschaftshilfe in Berliner Gemeinden an diesem Tag über die Hilfe in Emmaus berichtet. Es heißt da unter anderem: "Seit dem 1. November unterhält die Emmaus-Gemeinde, wie auch im Vorjahr, eine Notstandsküche, aus der augenblicklich täglich 400 Portionen warmes Essen an arme Gemeindemitglieder zum Preise von 10 Pfennig je Liter abgegeben werden. Alten Leuten, die nicht mehr selbst zur Kirchenküche kommen können, wird das Essen ins Haus gebracht. In Fällen besonderer Not werden einzelne Portionen unentgeltlich abgegeben. Man hofft, in kurzer Zeit so weit zu sein, daß täglich 500 Liter Essen abgegeben werden können. Die für diese Notstandsküche notwendigen Lebensmittel werden zum Teil aus der Gemeinde selbst gegeben und kommen andererseits auch vom Lande. Namentlich Kartoffeln sind in diesem Jahr reichlich gegeben worden. Hinzu kommen Ankäufe von Lebensmitteln aus den Erträgnissen einzelner Vereinsveranstaltungen wie des Parochialvereins, der Frauenhilfe usw. Eine nachahmenswerte Form brüderlicher Hilfe ist die Einrichtung der Freitische. Besser gestellte Mitglieder der Emmaus-Gemeinde haben es sich nicht nehmen lassen, je nach Vermögen ein- oder zweimal in der Woche, manchmal auch dreimal, einen oder mehrere Arme als Gast zu ihrem Mittagstisch zu bitten. Neben Notstandsküche und Freitisch kennt die Emmaus-Gemeinde noch die Unterstützung mit barem Geld. Die Summen, die aus Kollekten, Musikabenden und freiwilligen Spenden fließen, sind nicht groß, immerhin aber können durchschnittlich 125 RM und mehr an Notleidende abgeführt werden. Ein hübscher Brauch ist es, daß die Damen der Frauenhilfe zu ihren Arbeitsstunden, in denen vornehmlich für Bekleidung und Wäsche gesorgt wird, jede ein Päckchen mit Lebensmitteln mitbringen, die dann durch die Schwestern verteilt werden.
Die Notstandsküche der Gemeindefrauenhilfe von 1932
Neben dem Sammeln und Verteilen gibt es noch eine ganze Menge anderer Arbeiten. Da muß das Essen zu den Alten und Kranken gebracht werden. Geschirr wird gereinigt, Kartoffeln werden geschält, Strümpfe werden gestopft, Kleidungsstücke ausgebessert, aus alten Anzügen werden neue geschneidert - und alles dies ist so viel, daß Frauenhilfe und Gemeindeschwestern es beim besten Willen nicht alleine bewältigen können."
Die kirchlichen Vereine in Emmaus waren sozusagen die Lebensadern, aus denen die Gemeinde gespeist wurde. Sie waren wichtig zur Ausbildung einer bestimmten Gemeindeidentität. Sie stärkten das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gemeindeglieder und die Bindung an die Kirche, freilich auch immer unter der Gefahr der Abkapselung und Abschottung nach außen. Denen aber, die sich in ihnen ein Betätigungsfeld suchten, vermittelten sie ein Gefühl der Sicherheit und Verwurzelung - oft über Generationen hin. Über die religiösen Inhalte hinaus, fand man in ihnen Geselligkeit, Abwechslung, menschliche Begegnungen und das Gefühl, sich gemeinsam für eine Sache zu engagieren. Nur so ist zu erklären, daß man ihnen so zahlreich über Jahrzehnte die Treue hielt.