Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde auch in Emmaus mit pathetischer Ergriffenheit als Schicksalsstunde des deutschen Volkes gefeiert. Am 5. August 1914 versammelten sich an die 5000 Menschen in der Emmaus-Kirche zu dem "Außerordentlichen allgemeinen Bettag", zu dem der Kaiser alle Deutschen aufgerufen hatte "in ernster Feier zur Anrufung Gottes, daß er mit uns sei und unsere Waffen segne". Pfarrer Moschütz predigte über den Anfang des 46. Psalms:
"Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. / Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken."
Von diesem Gefühl der Erhebung, des Zusammenstehenmüssens gegen eine Welt von Feinden, die die Existenz Deutschlands bedrohten, wurde die Gemeinde noch eine ganze Weile getragen. Unmittelbar nach Kriegsbeginn war die Zahl der Gottesdienstbesucher merklich in die Höhe gegangen. "Sehr viele fingen an, die Kirche, die sie solange durch Gleichgültigkeit vernachlässigt hatten oder ihr durch offenkundige Feindschaft den Rücken gekehrt hatten, wieder aufzusuchen und die von ihr gespendeten Gnadenmittel wieder in Anspruch zu nehmen."
Auch die Austrittsbewegung, unter der die Kirchen immer mehr zu leiden hatten, kam durch den Kriegsbeginn zum Stehen. Sie hatte in Berlin noch kurz zuvor einen Höhepunkt erreicht, als in großen Volksversammlungen zum "Massenstreik gegen die Staatskirche" aufgerufen wurde. Die Kirche wurde als staatstragende Macht eines Systems gebrandmarkt, das große Bevölkerungsteile dem Elend und der Not preisgibt.
So boten die nun hereinbrechenden schweren Zeiten der Kirche die Möglichkeit, wieder "den Herzen und Häusern der Gemeindeglieder in besonderer Weise näher zu kommen". Auf Beschluß des Gemeindekirchenrats wurde ein Kriegskomitee gegründet, dem die Pfarrer, die Gemeindeschwestern, Kirchenälteste und Gemeindevertreter angehörten. Es organisierte Hilfe und Unterstützung für die in Not geratenen Familien der Kriegsteilnehmer. Die Gemeinde bewies große Opferwilligkeit und Hilfsbereitschaft, so daß beachtliche Beträge in die "Kriegskasse" eingingen. Aus dem "Bericht über die kirchlichen und sittlichen Zustände" für 1916 geht hervor, wie groß die Not schon in diesem zweiten Kriegsjahr gewesen sein muß. "Kriegerfamilien" wurden mit Lebensmitteln und Brennmaterial unterstützt, "Kriegerkinder" wurden "bei der Einsegnung mit Schuhwerk" bedacht. Neben dem materiellen wollte man vor allem aber geistlichen Beistand anbieten, wo immer er nötig und gefragt war. So suchten die Pfarrer die Hinterbliebenen von Gefallenen ihres Bezirks auf, boten ihre Vermittlung an, "wo man um Verwundete, Vermißte oder Gefangene in Sorge schwebte". Die Namen der Gefallenen wurden jeweils am Sonntag "im Anschluß an die Predigt in einer kurzen aber erhebenden Feier von der Kanzel bekannt gemacht" und auch im Gemeindeblatt veröffentlicht.
Die ab Kriegsbeginn eingerichteten wöchentlichen Kriegsbetstunden, die anfangs gut besucht worden waren, verloren allerdings mit zunehmender Kriegsdauer an "Zugkraft". Als Fehlschlag erwies sich ein von der Frauenhilfe eröffnetes "Abendheim für Frauen und Mädchen". Es fand "leider nur geringen Zuspruch und ging deshalb ein". Man muß dieses Unternehmen wohl im Zusammenhang sehen mit einem Problem, das eines der zentralen Themen auf der Kreissynode des Jahres 1916 bildete: die Betreuung der "Kriegerfrauen". In einem Referat des Hof- und Dompredigers Ernst Vits heißt es dazu: Viele dieser Frauen stünden an "Selbstverachtung, Opferwilligkeit, ernster Pflichtauffassung und tapferem Durchhalten" ihren Männern und Brüdern im Felde um nichts nach. "Aber wir wissen alle, daß gerade unter den Kriegerfrauen nicht wenige den Ernst der Zeit und ihre Verantwortung dem Vaterland, wie ihrem Mann und ihren Kindern gegenüber nicht erfaßt haben, ja, daß manche, während ihre Männer draußen darben und entbehren, bluten und sterben, sich selbst und ihren Vergnügungen leben und gar ihre Männer treulos in schändlicher Weise hintergehen." Man müsse alles tun, um erzieherisch auf die Frauen einzuwirken, damit "unsere Krieger" "ein warmes, trauliches Heim finden", damit sie nicht durch ihre Frauen enttäuscht, "aus dem Heim ins Wirtshaus getrieben werden". Dieses für die Kirche jener Zeit so typische Verlagern krasser sozialer Probleme auf das Moralische kommt sehr deutlich zum Ausdruck, wenn der Redner fortfährt, er wisse wohl "wie vielen es unendlich schwer gemacht ist, ein wirkliches Heim zu gewinnen" angesichts der enormen herrschenden Wohnungsnot und daß hier "ernste Fragen sozialpolitischer Art" vorliegen, "an denen gewiß auch die Kirche nicht vorübergehen soll". Aber "schließlich ist es doch der Geist, der das Heim schafft und gestaltet". Ganz in diesem Sinne organisierte der Frauenverein von Emmaus 1917 eine Vortragsreihe des Biblischen Sittlichkeitsvereins. Zur selben Zeit plagten sich auf dem Emmaus-Friedhof Frauen mit der schweren Arbeit der zum Krieg eingezogenen Leichenträger. Ihnen sollte eine einmalige Kriegszulage von 5 Mark gezahlt werden, "wenn sie 4 Wochen aushalten", heißt es im GKR-Protokoll vom 27. April 1917.
Den Geist galt es auch bei der Jugend aufzurüsten: Zu diesem Zweck fanden alle 14 Tage "Kriegsvorträge" statt, die der Gemeindejugend den "Ernst und die Bedeutung der Zeit vor die Seele führen" sollten.
Und natürlich wollte man ganz unmittelbar für die Soldaten etwas tun. Man schickte ihnen das Gemeindeblatt ins Feld, den Vätern der Sonntagsschulkinder wurden kleine Päckchen gesandt. Die in der Gemeinde liegenden Lazarette wurden von den Frauenvereinen betreut, indem man die Verwundeten beschenkte, zu Festen und Abendmusiken einlud.
Wie ein böses Omen fiel die Fünfundzwanzigjahrfeier der Emmaus-Kirche 1918 noch in die Kriegszeit. Niemand konnte damals ahnen, daß die Gemeinde auch das 50. Kirchenjubiläum im Krieg feiern würde. Zwei Jahre später gab es die alte Emmaus-Kirche nicht mehr.