Konturen des Gemeindelebens (Teil 1)

Alle wichtigen Einrichtungen und Vereine, die das Leben in der Emmaus-Gemeinde über viele Jahrzehnte bestimmt haben, sind in den ersten Jahren ihres Bestehens entstanden. Die Gemeindediakonissenstation, die bis zur Auflösung Bethaniens Anfang der siebziger Jahre fortbestand, war schon im Oktober 1887 gegründet worden. Sie begann ihren Dienst in Emmaus mit zwei Schwestern, 1892 kam eine dritte hinzu. Ungefähr bei dieser Zahl blieb es bis Mitte der vierziger Jahre. Bis zur Errichtung des Gemeindehauses im Jahre 1931 wohnten die Schwestern in wechselnden Quartieren. Die längste Zeit (von 1918 bis 31) waren sie in der Muskauer Straße 7 untergebracht. Da Emmaus zu den zuschußbedürftigen Gemeinden zählte, wurde die Miete und das Kost- und Stationsgeld für die Schwestern von der Berliner Stadtsynode bezahlt. Die Mittel aber, die durch ihre Arbeit an den Armen, Alten und Kranken in der Gemeinde verwendet wurden, brachte die Gemeinde selbst auf. Sie flossen aus der Kasse für die Armen- und Krankenpflege. Die Schwestern betreuten während ihres jahrzehntelangen Wirkens auch stets den Großmütter- (später Hanna-)Verein.

Kleinkinderschule

Die Kleinkinderschule von Emmaus

In Anbetracht der besonderen Gemeindestruktur von Emmaus mit vielen proletarischen und kleinen Handwerkerfamilien, in denen die Frauen mitarbeiten mußten, um den Lebensunterhalt zu sichern, gab es schon früh den Wunsch nach einem Kindergarten. Die Gemeinde hatte aber keine Mittel, um solch eine Einrichtung zu unterhalten. Es ist dem Frauenverein von Emmaus und einer Reihe wohlmeinender Spender zu danken, daß trotzdem im Oktober 1890 auch in Emmaus eine Kleinkinderbewahranstalt gegründet werden konnte, allerdings unter der Trägerschaft des Verbandes der Goßnerschen Kleinkinderschulen. Auch der Kindergarten stand unter der Leitung einer Diakonissenschwester aus Bethanien. Er war zuerst in der Lausitzer Straße 24 untergebracht und seit 1918 ebenfalls in der Muskauer Straße 7. In der Gemeinde gab es einen Freundeskreis, der den Kindergarten kontinuierlich unterstützte. So zahlte zum Beispiel der Konditoreibesitzer Gasse über Jahre die Miete für die Räume in der Muskauer Straße und veranstaltete wiederholt große Bewirtungen für die Kinder in seinem Café. Die Möblierung und Ausstattung des Kindergartens wurde ebenfalls aus Spendenmitteln angeschafft. Große Verdienste hatte sich dabei Frau Bertha Tabbert erworben, deren Name vielfach mit der Emmaus-Gemeinde und ihren Werken verknüpft ist. Sie war die Frau eines Fabrikbesitzers, der seit 1906 dem GKR angehört hatte. Nach seinem Tod im März 1921 wurde sie selbst in den GKR gewählt und hielt diesem Amt und Emmaus noch als betagte Frau und in besonders kritischer Zeit die Treue. Sie wird beschrieben als eine besonders vornehme, aber auch gütige Frau, in deren Haushalt die Dienstboten Französisch sprachen.
Nach dem 1. Weltkrieg hatte der Kindergarten an die hundert Kinder, in den dreißiger Jahren nach seinem Umzug in das neue Gemeindehaus waren es um die fünfzig. In den zwanziger Jahren hatte man den Kindergarten ergänzen wollen durch einen Hort für Jungen und Mädchen. Er existierte aber nur wenige Jahre und mußte aus Geldmangel wieder aufgegeben werden. Dasselbe Schicksal widerfuhr einem 1926 gegründeten evangelischen Lehrlingsheim in der Manteuffelstraße 95.

Helferkreis

Der Helferkreis des Kindergottesdienstes im Jahr 1913

Bereits sehr früh bildete sich ein Helferkreis von jungen Frauen und Männern, die die Pfarrer in der gottesdienstlichen Unterweisung der Kinder unterstützten. Eine der ersten Helferinnen war die Lehrerin Helene Hänßgen, die dem Kreis seit 1888 in über vierzig Jahren angehörte. Alle Helfer versahen ihren Dienst freiwillig und unentgeltlich. Dazu gehörten neben Schulungen und Freizeiten auch die wöchentlichen Vorbereitungsstunden mit den Geistlichen. Es waren immer um die zwanzig Personen, die den Kindergottesdienst betreuten. Die Anzahl der Kinder hielt sich in gewöhnlichen Zeiten bei 250 bis 300. Auffällig ist, daß immer bedeutend weniger Jungen als Mädchen in den Kindergottesdienst kamen. Greifen wir zum Beispiel das Jahr 1906 mit einer durchschnittlichen Besucherzahl von 343 Kindern heraus. Unter diesen durchschnittlich 343 waren nur 99 Jungen! Diese Proportion zieht sich ziemlich konstant durch die Jahre und Jahrzehnte.
Die Strategien, mit denen man die Kinder zum regelmäßigen Kirchgang animieren wollte, würden heute sicher nicht mehr unsere ungeteilte Zustimmung finden. Zum Beispiel wurden an die erschienenen Kinder Serien bunter Bildchen verteilt, und es war natürlich schmerzlich, wenn man ein solches Bildchen versäumte.
Der Kindergottesdienst hatte verschiedene erwähnenswerte Einrichtungen. So wurde ein monatliches kleines Blatt "Für unsere Kinder" herausgegeben. Es gab eine Sparkasse, die allerdings an Attraktivität verlor, als in den zwanziger Jahren auch an den Schulen Sparkassen eingerichtet wurden, die zudem Zinsen gaben. 1908 wurde für die Kinder eine kleine Leihbibliothek aufgebaut. Und schließlich gab es seit 1932 auch einen Mädchenchor.

 

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