J. S. Bach / Joh. H.E. Koch:
Markus-Passion
Der Text

1 Chor: Geh, Jesu, geh zu deiner Pein! Ich will so lange dich beweinen, bis mir dein Trost wird wieder scheinen, da ich versöhnet werde sein.

2 Rezitativ: Und nach zwei Tagen war Ostern und die Tage der süßen Brote, und die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn mit List griffen und töteten. Sie sprachen aber: "Ja nicht auf das Fest, dass nicht ein Aufruhr im Volk werde." Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: "Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben." Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: "Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte: Sie hat meinen Leib im voraus gesalbt für mein Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat." Und Judas Iskariot, einer von den zwölfen, ging hin zu den Hohenpriestern, dass er ihn an sie verriete. Als sie das hörten, wurden sie froh und versprachen, ihm Geld zu geben. Und er suchte, wie er ihn verraten könnte.

3 Choral: Mir hat die Welt trüglich gericht& 8217;t mit Lügen und mit falschem G& 8217;dicht, viel Netz& 8217; und heimlich Stricken. Herr, nimm mein wahr in dieser G& 8217;fahr, b& 8217;hüt mich vor falschen Tücken.

4 Rezitativ: Und am ersten Tage der süßen Brote sprachen seine Jünger zu ihm: "Wo willst du, dass wir hingehen und bereiten das Osterlamm?" Und er sandte seiner Jünger zwei und sprach zu ihnen: "Gehet in die Stadt, und es wird euch ein Mensch begegnen, der trägt einen Krug mit Wasser. Folgt ihm, und wo er hineingeht, da sprechet zu dem Hauswirt: Der Meister lässt dir sagen, wo ist das Gasthaus, darin ich das Osterlamm esse mit meinen Jüngern?" Und die Jünger gingen und fanden& 8217;s, wie er gesagt hatte, und bereiteten das Osterlamm. Am Abend aber kam er mit den Zwölfen. Und als sie zu Tische saßen, sprach er zu ihnen: "Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten." Und sie wurden traurig und sagten zu ihm: "Bin ich& 8217;s?"

5 Choral: Ich, ich und meine Sünden, die sich wie Körnlein finden des Sandes an dem Meer, die haben dir erreget das Elend, das dich schläget, und das betrübte Marterheer.

6 Rezitativ: Und indem sie saßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach& 8217;s und gab& 8217;s ihnen und sprach: "Nehmet, esset; das ist mein Leib." Und nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. Und er sprach zu ihnen: "Das ist mein Blut des neuen Testaments, das für viele vergossen wird. Wahrlich, ich sage euch, dass ich hinfort nicht trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis auf den Tag, da ich& 8217;s neu trinke im Reich Gottes."

7 Arie (Alt): Mein Heiland, dich vergess& 8217; ich nicht! Ich habe dich in mich verschlossen und deinen Leib und Blut genossen und meinen Trost auf dich gericht& 8217;!

8 Rezitativ: Und da sie den Lobgesang gesprochen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg. Und Jesus sprach zu ihnen: "Ihr werdet euch in dieser Nacht alle an mir ärgern; denn es steht geschrieben: Ich werde den Hirten schlagen und die Schafe werden sich zerstreuen.& 8217; Wenn ich aber auferstehe, will ich vor euch hingehen nach Galiläa."

9 Choral: Wach auf, o Mensch, vom Sündenschlaf, ermunt're dich, verlor& 8217;nes Schaf, und bess& 8217;re bald dein Leben! Wach auf, es ist doch hohe Zeit, es kommt heran die Ewigkeit, dir deinen Lohn zu geben. Vielleicht ist heut& 8217; der letzte Tag. Wer weiß noch, wie man sterben mag.

10 Rezitativ: Und Petrus sagte zu ihm: "Und wenn sich alle ärgerten, so wollte doch ich mich nicht ärgern." Und Jesus sprach zu ihm: "Wahrlich, ich sage dir: Heute, in dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen." Und sie kamen zu einem Hofe mit Namen Gethsemane. Und nahm zu sich Petrus und Jakobus und Johannes und fing an zu zittern und zu zagen. Und sprach zu ihnen: "Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibet hier und wachet."

11 Choral: Betrübtes Herz, sei wohlgemut, tu nicht so gar verzagen. Es wird noch alles werden gut, all dein Kreuz, Not und Klagen wird sich in lauter Fröhlichkeit verwandeln in gar kurzer Zeit, das wirst du wohl erfahren.

12 Rezitativ: Und ging ein wenig weiter, fiel auf die Erde und betete und sprach: "Abba, mein Vater, es ist dir alles möglich, nimm diesen Kelch von mir, doch nicht, was ich will, sondern, was du willst." Und kam und fand sie schlafend, und sprach zu Petrus: "Simon, schläfst du? Vermochtest du nicht eine Stunde zu wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Versuchung fallet." Und ging wieder hin und betete und sprach dieselben Worte und kam wieder und fand sie abermals schlafend; und sie wussten nicht, was sie ihm antworteten. Und er kam zum dritten Mal und sprach zu ihnen: "Ach, wollt ihr nun schlafen, siehe, des Menschen Sohn wird überantwortet in der Sünder Hände. Stehet auf und lasst uns gehen! Siehe, der mich verrät, ist nahe."

13 Arie (Sopran): Er kommt, er ist vorhanden! Mein Jesu, ach! er suchet dich, entfliehe doch und lasse mich, mein Heil, statt deiner in den Banden.

14 Rezitativ: Und alsbald, da er noch redete, kam herzu Judas und eine große Schar mit ihm, mit Schwertern und mit Stangen, von den Hohenpriestern und Schriftgelehrten. Und der Verräter hatte ihnen ein Zeichen gegeben. Und gesagt: "Welchen ich küssen werde, der ist's; den greifet." Und da er kam, sprach er zu ihm: "Rabbi, Rabbi!" und küsste ihn.

15 Arie (Alt): Falsche Welt, dein schmeichelnd Küssen ist der frommen Seelen Gift. Deine Zungen sind voll Stechen, und die Worte, die sie sprechen, sind zu Fallen angestift'!

16 Choral: Jesu, ohne Missetat, im Garten vorhanden, da man dich gebunden hat fest mit harten Banden. Wenn uns will der böse Feind mit der Sünde binden, so lass uns, o Menschenfreund, dadurch Lösung finden.

17 Rezitativ: Die aber legten ihre Händen an ihn und griffen ihn und Jesus sprach zu ihnen: "Ihr seid ausgegangen wie zu einem Mörder mit Schwertern und mit Stangen, mich zu fangen. Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen und habe gelehrt, und ihr habt mich nicht gegriffen; aber auf dass die Schrift erfüllet werde." Und die Jünger verließen ihn alle und flohen.

18 Choral: Ich will hier bei dir stehen, verachte mich doch nicht, von dir will ich nicht gehen, wenn dir dein Herze bricht. Wenn dein Haupt wird erblassen im letzten Todesstoß, alsdann will ich dich fassen, in meinen Arm und Schoß.

19 Arie (Tenor): Mein Tröster ist nicht mehr bei mir, mein Jesu, soll ich dich verlieren und zum Verderben sehen führen? Das kömmt der Seele schmerzlich für. Der Unschuld, welche nichts verbrochen, dem Lamm, das ohne Missetat, wird in dem ungerechten Rat ein Todesurteil zugesprochen.

20 Rezitativ: Und sie führten Jesus zu dem Hohenpriester, dahin zusammengekommen waren alle Hohenpriester und Schriftgelehrten. Petrus aber folgte ihm nach von ferne bis in des Hohenpriesters Palast und saß bei den Knechten und wärmte sich bei dem Licht. Aber der Hohepriester und der ganze Rat suchten Zeugnis wider Jesus, auf dass sie ihn zu Tode brächten; und fanden nichts. Und etliche standen auf und gaben falsch Zeugnis wider ihn und sprachen: "Wir haben gehört, dass er sagte: Ich will den Tempel, der mit Händen gemacht ist, abbrechen und in drei Tagen einen andern bauen, der nicht mit Händen gemacht ist." Und der Hohepriester stand auf, fragte Jesum und sprach: "Antwortest du nichts zu dem, was diese wider dich zeugen?" Er aber schwieg still und antwortete nichts.

21 Choral: Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

22 Rezitativ: Da fragte ihn der Hohepriester abermals und sprach zu ihm: "Bist du Christus, der Sohn des Hochgelobten?" Und Jesus sprach: "Ich bin's. Und ihr werdet sehen des Menschen Sohn sitzen zur rechten Hand der Kraft und kommen mit des Himmels Wolken." Da zerriss der Hohepriester seinen Rock und sprach: "Was bedürfen wir weiter Zeugen? Ihr habt gehört die Gotteslästerung. Was dünkt euch?" Sie aber verdammten ihn alle, dass er des Todes schuldig wäre. Da fingen etliche an, ihn zu verspeien und zu verdecken sein Angesicht und ihn mit Fäusten zu schlagen, und zu sagen: "Weissage uns!" Und die Knechte schlugen ihm ins Angesicht.

23 Choral: Du edles Angesichte, davor sonst schrickt und scheut das große Weltgewichte, wie bist du so bespeit, wie bist du so erbleichet, wer hat dein Augenlicht, dem sonst kein Licht nicht gleichet, so schändlich zugericht't?

24 Rezitativ: Und Petrus war unten im Hof. Da kam eine von des Hohenpriesters Mägden; und da sie sah Petrus sich wärmen, schaute sie ihn an und sprach: "Und du warst auch mit Jesus von Nazareth!" Er leugnete aber und sprach: "Ich kenne ihn nicht und weiß auch nicht, was du sagst." Und ging hinaus in den Vorhof und der Hahn krähte. Und die Magd sah ihn und hob abermals an: "Dieser ist deren einer." Und er leugnete abermals. Und nach einer kleinen Weile sprachen abermals zu Petrus, die dabeistanden: "Wahrlich, du bist deren einer, denn du bist ein Galiläer, deine Sprache lautet so!" Er aber fing an, sich zu verfluchen und zu schwören: "Ich kenne den Menschen nicht!" Und der Hahn krähte zum andernmal. Da gedachte Petrus an das Wort, das Jesus zu ihm sagte. Und er hob an zu weinen.

25 Choral: Herr, ich habe missgehandelt, ja mich drückt der Sünden Last; ich bin nicht den Weg gewandelt, den du mir gezeiget hast; und itzt wollt' ich gern aus Schrecken mich vor deinem Zorn verstecken.

26 Rezitativ: Und bald am Morgen hielten die Hohenpriester Rat und banden Jesum und führten ihn hin und überantworteten ihn dem Pilatus. Und Pilatus fragte ihn: "Bist du der Juden König?" Er antwortete aber und sprach: "Du sagst es." Und die Hohenpriester beschuldigten ihn hart. Pilatus fragte ihn abermals und sprach: "Antwortest du nichts? Siehe, wie hart sie dich verklagen." Und Jesus antwortete nichts mehr, also sich Pilatus wunderte.

27 Choral: Was Menschenkraft und -witz anfäht, soll uns billig nicht schrecken. Er sitzet an der höchsten Stätt', er wird ihr'n Rat aufdecken. Wenn sie auf's Klügste greifen an, so geht doch Gott ein an'dre Bahn, es steht in seinen Händen.

28 Rezitativ: Er pflegte ihnen auf das Osterfest einen Gefangenen loszugeben, welchen sie begehrten. Es war aber einer, genannt Barabbas, gefangen mit den Aufrührern, die einen Mord begangen hatten. Und das Volk bat, dass er täte, wie er pflegte. Pilatus antwortete ihnen: "Wollt ihr, dass ich euch den König der Juden losgebe?" Denn er wusste, dass ihn die Hohenpriester aus Neid überantwortet hatten. Aber die Hohenpriester reizten das Volk, dass er Barabbas losgäbe. Pilatus sprach wieder zu ihnen: "Was wollt ihr denn, dass ich tue dem, den ihr beschuldigt, er sei König der Juden?" Sie schrieen abermals: "Kreuzige ihn!" Pilatus aber sprach zu ihnen: "Was hat er Übles getan?" Sie aber schrieen noch viel mehr: "Kreuzige ihn!" Pilatus aber gedachte dem Volk genug zu tun und gab ihnen Barabbas los und geißelte Jesum und überantwortete ihn, dass er gekreuzigt würde. Die Kriegsknechte aber führten ihn hinein in das Richthaus, zogen ihm einen Purpur an, flochten eine dornene Krone und setzten sie ihm auf und fingen an, ihn zu grüßen: "Gegrüßet seist du, der Juden König!" Und schlugen ihm das Haupt mit dem Rohr und verspeiten ihn und fielen auf die Knie und beteten ihn an.

29 Choral: Man hat dich sehr hart verhöhnet, dich mit großem Schimpf belegt und mit Dornen gar gekrönet: Was hat dich dazu bewegt? Dass du möchtest mich ergötzen, mir die Ehrenkron' aufsetzen. Tausend-, tausendmal sei dir, liebster Jesu, Dank dafür.

30 Rezitativ: Und da sie ihn verspottet hatten, zogen sie ihm seine Kleider aus und führten ihn aus, dass sie ihn kreuzigten; und zwangen einen, der vorüberging, mit Namen Simon von Kyrene, dass er ihm das Kreuz trüge. Und sie brachten ihn an die Stätte Golgatha, das ist verdolmetscht: Schädelstätte. Und da sie ihn gekreuzigt hatten, teilten sie seine Kleider und warfen das Los darum. Und es war um die dritte Stunde. Und sie kreuzigten mit ihm zwei Mörder, einen zur Rechten und einen zur Linken. Und die vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Häupter und sprachen: "Pfui dich, wie fein zerbrichst du den Tempel und baust ihn in drei Tagen! Hilf dir nun selber und steig herab vom Kreuz!" Desgleichen die Hohenpriester verspotteten ihn und sprachen: "Er hat andern geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er Christus und König in Israel, so steige er nun vom Kreuz, dass wir sehen und glauben." Und nach der sechsten Stunde ward eine Finsternis über das ganze Land. Und um die neunte Stunde rief Jesus laut und sprach: "Eli, Eli, lama asabthani?" Das ist verdolmetscht: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

31 Choral: Keinen hat Gott verlassen, der ihm vertraut allzeit; und ob ihn gleich viel hassen, geschieht ihm doch kein Leid. Gott will die Seinen schützen, zuletzt erheben hoch, und geben was ihn'n nützet, hier zeitlich und auch dort.

32 Rezitativ: Und etliche, die dabeistanden, da sie das hörten, sprachen sie: "Siehe, er ruft den Elia!" Da lief einer und füllte einen Schwamm mit Essig und stecke ihn auf ein Rohr und tränkte ihn und sprach: "Halt, lass sehen, ob Elia komme und ihn herabnehme!" Aber Jesus rief laut und verschied.

33 Arie (Sopran): Welt und Himmel, nehmt zu Ohren, Jesus schreiet überlaut. Allen Sündern sagt er an, dass er nun genug getan, dass das Eden aufgebaut, welches wir zuvor verloren.

34 Rezitativ: Und der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus. Der Hauptmann aber, der dabeistand und sah, dass er mit solchem Geschrei verschied, sprach: "Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen." Und am Abend kam Joseph von Arimathia, ein ehrbarer Ratsherr, welcher auch auf das Reich Gottes wartete. Der ging zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. Pilatus wunderte sich, dass er schon tot war. Und als er's erkundet hatte, gab er Joseph den Leichnam.

35 Choral: O! Jesu du, mein Hilf und Ruh! Ich bitte dich mit Tränen, hilf, dass ich mich bis ins Grab nach dir möge sehnen.

36 Rezitativ: Und er kaufte eine Leinwand, und nahm ihn ab und wickelte ihn in die Leinwand und legte ihn in ein Grab, das war in einen Felsen gehauen, und wälzte einen Stein vor des Grabes Tür. Aber Maria Magdalena und Maria, des Joses Mutter, schauten zu, wo er hingelegt ward.

37 Schlusschor: Bei deinem Grab und Leichenstein will ich mich stets, mein Jesu, weiden, und über dein verdienstlich Leiden von Herzen froh und dankbar sein. Schau, diese Grabschrift sollst du haben: "Mein Leben kömmt aus deinem Tod, hier hab' ich meine Sündennot und Jesum selbst in mich begraben."

 

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