Machtübernahme: Das Jahr 1933

Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 war das Ende der ersten deutschen Demokratie endgültig besiegelt. Von vielen war dieses Ende herbeigesehnt worden. Nicht zuletzt von den Kirchen. Auch in Emmaus war unter beträchtlichem Aufwand die erzkonservative Deutschnationale Volkspartei unterstützt worden, und das über Jahre hin. Diese Partei machte sich nun zum Vollstreckungshelfer der Nazis, bevor sie sich pflichtbewußt im Juni 1933 selbst auflöste. Nachdem die SA am 10. März 1933 das Kreuzberger Rathaus gestürmt und den sozialdemokratischen jüdischen Bezirksbürgermeister Carl Herz durch eine gaffende Menge getrieben hatte, war es ein Abgeordneter der DNVP, der kommissarisch an seine Stelle trat. Unter seiner Führung wurde das Bezirksamt "gesäubert".
Innerhalb kürzester Zeit waren die wichtigsten Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt worden. Diese Machtübernahme auf allen Ebenen machte natürlich auch vor der Kirche nicht halt. Bereits im April 1933 ernannte Hitler einen unbekannten Pfarrer aus Königsberg, den Wehrkreispfarrer Ludwig Müller, zu seinem persönlichen Bevollmächtigten in Kirchenfragen. Die DC nominierten Müller als ihren Kandidaten zu den Bischofswahlen im Mai 1933. Der Kandidat der kirchlichen Opposition, die sich inzwischen als "jungreformatorische Bewegung" zusammengeschlossen hatte, Friedrich von Bodelschwingh, gewann zwar die Wahl, mußte aber schon nach wenigen Wochen sein Amt niederlegen, weil die DC ein Kesseltreiben gegen ihn veranstalteten. Die Kirche wurde daraufhin unter die direkte Leitung des Staates gestellt und kurzerhand die alte Kirchenleitung außer Dienst gesetzt. Eine neue Reichskirchenverfassung (vom 14. Juli 1933) und für den 23. Juli angesetzte neue Kirchenwahlen sollten das Problem auf Dauer lösen. Wer Augen hatte zu sehen, der wußte, daß diese Entwicklung schließlich mit dem Verlust jeglicher Eigenständigkeit und der völligen Gleichschaltung der Kirche enden würde. Es gehört zum Ruhmesblatt der Emmaus-Gemeinde, daß ihre Pfarrer bereits zu diesem frühen Zeitpunkt eindeutig Stellung bezogen. Pfarrer Huhn, Freybe und Antoni gehörten zu den 106 Unterzeichnern einer "Erklärung von Groß-Berliner Pfarrern" vom 5. Juli 1933, in der "Freiheit für die evangelische Kirche" gefordert wird, "weil nur die Kirche wirklich evangelische Kirche ist, die ihre Lehre und ihr Ethos ausschließlich aus der Heiligen Schrift schöpft". Alle inzwischen eingetretenen Verletzungen dieser Freiheit werden darin unumwunden benannt. Die Erklärung ging an Hitler, an Hindenburg, an den Reichsinnenminister und an den Kultusminister. "Angesichts der Drohungen des Staates und der Propaganda der Glaubensbewegung, mitten im allgemeinen nationalen Enthusiasmus wie in der kirchlichen Verwirrung und Unsicherheit war dies ein beachtliches Zeichen von Mut und Festigkeit", heißt es dazu bei einem namhaften Forscher des Kirchenkampfes . Am 23. Juli sollte sich nun mit den Kirchenwahlen die endgültige Machtübernahme der Kirche von innen her vollziehen. Wieder waren die Deutschen Christen angetreten - diesmal aber unter ungleich günstigeren Vorzeichen. Sie waren zwar noch immer nicht die machtvolle Massenbewegung, als die sie sich immer darstellten, aber sie hatten den gesamten Propagandaapparat der Partei auf ihrer Seite, während ihre Gegner aufgrund der herrschenden Verordnungen keine öffentlichen Darstellungsmöglichkeiten besaßen. Hitler selbst hatte sich als geschickter Taktiker immer im Hintergrund gehalten und sich auch später im Kirchenkampf immer als über den Parteien stehend gegeben. Hier nun gab er zu diesem entscheidenden Zeitpunkt seine vorgetäuschte Neutralität auf und verhalf den DC mit einer vom Rundfunk übertragenen Rede am Vorabend der Wahl zu ihrem durchschlagenden Erfolg. Auch wenn ihr Sieg in Emmaus nicht ganz so triumphal ausfiel wie anderswo, war die Niederlage für die seit Jahrzehnten allein regierenden Positiven komplett. Ihre Liste unter dem Namen "Evangelium und Kirche" errang in der Gemeindevertretung 25 Sitze gegen 35 Sitze der DC und im Gemeindekirchenrat sogar nur 7 gegen 11 der Deutschen Christen. Allerdings - und das wurde entscheidend - alle vier Pfarrer der Emmaus-Gemeinde, Pfarrer Moschütz, Freybe, Huhn und Antoni, waren und blieben auf seiten der Positiven und sicherten somit den Stimmengleichstand .
Im September 1933 fand die erste Synode der preußischen Landeskirche statt, die als sog. "braune Synode" - wegen der vielen Uniformen - wenig ruhmvoll in die Geschichte einging. Diese Synode führte den "Arierparagraphen" auch für den Bereich der Kirche ein. Mit ihm konnten nun Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter "nicht-arischer" Herkunft entlassen werden. Dieser Paragraph, der in so eklatanter Weise getaufte evangelische Christen jüdischer Herkunft diskriminierte, führte zur Gründung des Pfarrernotbundes im September 1933. Alle vier Emmaus-Pfarrer traten dem Notbund kurz danach bei.

 

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