1887 bis 1900 komponierte Gabriel Fauré sein Requiem, das durch eine elegante, raffinierte Kirchenmusik des schönen Scheins den Menschen erhebt und von der Not des Leidens ablenkt. Folgerichtig verzichtet er auf das "Dies irae" und das "Rex tremendae", also die Teile, die in den Vertonungen von Berlioz und Verdi noch eine zentrale Rolle spielten. Dazu ergänzte Fauré den Text um die Sätze "Libera me" und "In Paradisum", die nicht der Totenmesse, sondern dem Gottesdienst zur Beerdigung entstammen.
Mit dieser sehr persönlichen Entscheidung hat Fauré in Frankreich eine eigene Tradition von Requiem-Vertonungen begründet, an deren Ende das Werk von Maurice Duruflé (1902-1986) steht.
Duruflé, der bei Paul Dukas studierte und vor allem als Kirchenmusiker und Lehrer in Paris wirkte, greift die besondere Stimmung der Fauré'schen Vertonung auf und intensiviert sie noch. Anders als seine Vorgänger schließt Duruflé die alten gregorianischen Melodien der Totenmesse auf geniale Weise mit in sein Werk ein. Sie wirken nicht archaisch, sondern führen zu einer Objektivierung, nehmen eine allzu persönliche Sensibilität wieder zurück.
Duruflé schreibt dazu: "Das ... Requiem basiert gänzlich auf Themen der gregorianischen Totenmesse. Manchmal habe ich den exakten Notentext übernommen, wobei die Orchesterpartie nur unterstützt oder kommentiert, an anderen Stellen diente er mir lediglich als Anregung... Im allgemeinen war ich bestrebt, meine Komposition ganz und gar von dem besonderen Stil der gregorianischen Themen durchdringen zu lassen."
Das 1947 vollendete Meisterwerk liegt in drei Fassungen vor: großes Orchester; Orgel solo; Orgel und Kammerorchester (Streicher, Trompeten, Harfe, Pauken).
[Ingo Schulz]