Kreuzberger Mischung

Kreuzberger Mischung, das ist keine Teesorte. Kreuzberger Mischung, so nennt man jenes spezifische Gemisch aus Wohnen und Arbeiten, das sich in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts in Kreuzbergs Südosten entwickelt hat. Und das hat sich bei allem Wandel gehalten bis in diese Jahre.

Blockweise wurden Häuser aus dem Boden gestampft. Ziegel kamen über die Spree und den Landwehrkanal direkt zu den Baustellen. Arbeiter kamen aus Pommern und Schlesien und suchten in der pulsierenden Metropole ihr Glück.

Sie fanden billiges Quartier im dritten Hinterhof zur Untermiete. Die Vorderhäuser waren meist von Angestellten und Beamten bewohnt. Doch auch die Arbeiterfamilie hoffte, irgendwann den sozialen Sprung ins Vorderhaus zu schaffen.

Die Hinterhöfe: Bis in die fünfziger Jahre gab es in den engen Höfen noch den einen und den anderen Kuhstall. Man verfütterte die Speisereste aus Restaurants und Gemüseläden und versorgte die Bewohner mit Frischmilch. Neben dieser Kuriosität gehört bis heute vor allem das Kleingewerbe in die Hinterhoflandschaft Kreuzbergs: Alles, von der Kerzengießerei bis zur Computerfirma.

Eckkneipen, Krämerläden, Werkstätten, Absteigen, Wohnungen, Kinos, Tanzsäle, Kinderläden, Ateliers - diese Mischung macht Kreuzberg zu einem spannenden Wohnquartier.

Menschen aus vielen Regionen und Nationen haben hier ein Zuhause gefunden. Kreuzberg ist ein sehr unkirchlicher Bezirk. Dennoch ist vielen ihre religiöse Herkunft wichtig, und sei es als Erinnerung an die alte Heimat. Doch selbst jene, die mit alten Traditionen gebrochen haben, sind auf der Suche nach Zusammenhängen, die ihr Leben zu tragen vermögen.

Waren es am Anfang des Jahrhunderts fast ausschließlich christliche Gruppen, die hier ihren Glauben zu leben versuchten, so hat sich das Spektrum gerade in den letzten Jahrzehnten enorm erweitert.

Die Lausitzer Straße, die eine wichtige Achse der Gemeinde bildet, ist keine tausend Meter lang und wird von zwei Kirchen gerahmt. Am Paul-Lincke-Ufer steht die Ölbergkirche. Sie ist klein und wurde als Notkirche nach den Turbulenzen der Inflation gebaut. Am anderen Ende der Straße steht mächtig und eindrucksvoll, wie ein Ausrufungszeichen, die Emmauskirche.

In der Lausitzer Straße gibt es ein katholisches Krankenhaus mit täglicher Armenspeisung für Obdachlose, Ladenwohnungen mit Meditationsräumen verschiedener Richtungen, ein islamisches Jugendzentrum für türkische Jungen. In einer Nebenstraße haben die Zeugen Jehovas ihren Treff und um die Ecke gibt es einen gut sortierten Laden mit esoterischer Literatur.

Kreuzberger Mischung, wir Christen sind ein Teil davon - nicht mehr, aber auch nicht weniger!