wir kommen aus der Dunkelheit in diesen Gottesdienst, aus der Dunkelheit des Karfreitag. Das Kreuz steht für unsere allgegenwärtige Erfahrung von Tod und Vernichtung, von Folter und Krieg.
Ich habe eine Geschichte entdeckt, die auf erschütternde Weise die Erfahrung der Gottverlassenheit des Karfreitag mit der befreienden Ostererfahrung verbindet. Der jüdische Schriftsteller Avigdor Hameiri (1886-1970) erzählt sie in dem Buch "Im Namen des Rabbi Jesus von Nazaret"
>>Eine Truppe ungarischer Soldaten, unter dem Befehl des Autors, wird im Ersten Weltkrieg von einer russischen Kompanie gefangengenommen. Sobald der russische Offizier gewahr wird, daß die meisten seiner Gefangenen Juden sind, entschließt er sich, zwischen zwei Flaschen Wodka, an ihnen "göttliche Gerechtigkeit zu üben".
Nach einem Kriegsgericht, das häufig durch Trinksprüche, Aufstoßen und Flüche unterbrochen wird, teilt der Leutnant des Zaren seinen Häftlingen mit:
"Ihr kennt die Anklage ganz genau... Es wurde nun beschlossen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Da Ihr ja gewohnt seid, Christenblut zu trinken, ist es höchste Zeit, daß Ihr einmal auch Judenblut zu schmecken bekommt. Deshalb wird einer von Euch verurteilt, Judenblut zu trinken.
Zweitens, habt ihr den Gottessohn gekreuzigt. Deshalb wird einer von Euch jetzt gekreuzigt werden.
Drittens, wird einer von Euch lebendig begraben, genau wie Jesus begraben wurde, bevor er am dritten Tag auferstanden ist.
Ist das klar?"
Dieses "Urteil" wurde "im Namen des Rabbi Jesus von Nazaret" vollstreckt. Der Autor, zum lebendigen Begräbnis bestimmt, kam als letzter dran. Als die Russen sein Feldgrab mit Erdklumpen zu füllen begannen, unterbrach sie ein ungarischer Gegenangriff, dem der selbsternannte Richter "göttlicher Gerechtigkeit" zum Opfer fiel, während die Totengräber schleunigst das Weite suchten - und der Autor seine eigene Auferstehung erleben konnte. Das improvisierte Grab, so stellte sich alsbald heraus, hatte ihn vor den Kugeln seiner Befreier errettet.<<
1.Mose 50, 20 Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, mit diesem Bibelwort könnte man die Erfahrung dieses Juden überschreiben und dieser Satz könnte über dem Ostergeschehen stehen.
Dieses Wort der Hoffnung soll auch über unserem Taufgottesdienst stehen. Es ist ein trotziges Wort, ein Wort das dem Karfreitag Rechnung trägt, das um die Destruktivität des Menschen weiß und doch an der Erfahrung festhält, das die Zerstörung nicht das letzte Wort behalten wird
Wir wollen sechs Kinder taufen und ihnen den Segen Gottes zusprechen, wir wollen ihnen Gottes Welt zu Füßen legen, damit sie weit ausschreiten und das Leben entdecken und die Liebe und die Freude am Wunder der Schöpfung.
Und doch stockt uns der Atem, wenn wir auf unseren Planeten blicken, wenn wir in die Zukunft sehen, wenn wir ihnen erklären müssen, was wir ihnen da übergeben werden.
Die Zukunftseuphorie meiner Schulzeit ist verflogen, die Welt hat von der Überzeugung Abschied genommen, dass wir mit menschlichem Genie und stetig steigendem Überfluß die Nöte vertreiben werden. Es scheint sich dieses Gefühl fast in sein Gegenteil verwandelt zu haben. Eine Zukunftsverdrossenheit legt sich wie ein bleiernes Tuch über die Träume von vielen.
Vielleicht ist es an der Zeit von beidem Abschied zu nehmen.
Nein, wir werden diese Welt nicht managen können wie ein mittelständisches Unternehmen, das ständig erfolgreich bleibt, wenn es denn nur schnell auf die Zeichen der Zeit reagiert.
Mal stolpern wir über die eigenen Beine, mal haben wir nicht den richtigen Riecher für das was dran ist und immer wieder werden wir auch feststellen müssen, dass da jemand ist, der es böse mit uns meint.
Doch gibt es da ein unglaubliches Phänomen. Aus unserem Versagen erwächst nicht selten das Gelingen, wir überhören die Signale der Zeit und sind ein paar Takte später ganz unerwartet uptodate. Selbst die uns zugedachte Bosheit erreicht ihr Ziel nie so, wie vom Übeltäter vorgestellt.
Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen!
Liebe Freundinnen und Freunde, das ist eine Erfahrung, das ist kein Gesetz. Wer mit diesem Bibelwort spekuliert, der wird scheitern. Aber die Wahrheit dieses Satzes ist mir persönlich eine wunderbare Medizin gegen die Verzweiflung.
Dieses Wort lädt uns ein zur Gelassenheit. Gott kann das Unglück wenden, Gott hat es immer wieder gewendet und er wird auch in Zukunft für uns da sein. Gott hat die Welt so geschaffen, dass sie sich unserem Herrschaftswahn immer wieder entzieht, ob wir es gut richten wollen, zum Glück auch dann, wenn wir ausdrücklich das Böse im Schilde führen.
Die Osterhoffnung ist für mich eine trotzige Hoffnung. Sie ist eine Zumutung. Sie ist deshalb eine Zumutung, weil sie eine Zeitenwende vorgaukelt, die ich kaum zu erkennen vermag.
Christus ist auferstanden, so singen wir. Tod wo ist dein Stachel, so spotten wir.
Und wir fühlen uns noch immer einsam und unerlöst und der Tod greift immer noch nach uns und nach unseren Schwestern und Brüdern, nach unseren Eltern und Kindern - und eben nicht nur der vergleichsweise sanfte Tod des Schicksals, sondern der Tod in allen Perversionen, die mit der Kreuzsesabnahme Jesu ein für alle mal ein Ende haben sollten.
Der Karfreitag bleibt aktuell, auch in dieser Nacht, auch mit dem heraufbrechenden Ostemorgen. Und doch hat der Satz aus dem ersten Buch Mose neue Kraft und tiefere Bedeutung gewonnen: Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen!
Gott hält uns in seiner Hand, mag das Böse auch noch so toben, wir sind eingeladen unseren Kindern trotz allem von der guten Welt zu erzählen, die Gott uns bereitet hat, wir dürfen gegen den Strom der Zeit schwimmen und darauf vertrauen nicht darin zu ersaufen.
Ich habe viele Gespräche über Krieg und Frieden geführt in diesen Tagen. Wir haben gestritten, wie weit man gehen darf, wenn man dem Bösen entgegentreten muss. Und selten konnten wir uns einigen. Die Fragen sind zu komplex und die Erfahrungen, die wir im Leben gemacht haben sind zu unterschiedlich, um auf einen schnellen Konsenz hoffen zu dürfen.
An einem aber wollte ich immer festhalten, dass wir als Christenmenschen Gott zutrauen, Ostern werden zu lassen. Mag wenn es um Glaube, Hoffnung und Liebe geht, auch der Liebe Priorität eingeräumt werden, so stehen doch auch Glaube und Hoffnung ganz oben auf unserer Agenda. Gott ist der Garant unserer Hoffnung.
Und Gott steht so sehr für die Hoffnung, dass wir den Glauben wagen dürfen, dass die Welt nicht verloren ist, dass der Stärkere nicht siegen wird und dass auch die Rache uns nicht verderben wird.
Liebe Freundinnen und Feunde, laßt uns Ostern feiern, lasst uns auf die Auferstehung der Liebe vertrauen und unseren Kindern davon erzählen, laßt uns Zeugen sein, dass nicht der Tod das letzte Wort haben wird, sondern das Leben.
Gottes Friede begleite und bewahre uns!
AMEN