J. S. Bach: Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit

Kantate 106 - "Actus tragicus"

J. S. Bach: Kantate 106 "Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit" (Actus tragicus)
Die wenigen erhaltenen geistlichen Vokalwerke des jungen Johann Sebastian Bach führen uns in eine Stilwelt, die von der reichen Tradition Mitteldeutschlands geprägt ist, jedoch im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts durch eine von Italien ausgehende Stilreform innerhalb kurzer Zeit verschwand. Bach begriff diese Änderungen als Fortschritt und veränderte seinen Kompositionsstil vor allem in der Weimarer Phase (1708-1716).
In der Kantate "Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit" hinterließ Bach eine krönende Vollendung der alten Kantatenform, die die Stilmittel der bunten Zusammenstellung kontemplativer Texte mit ihrer eng an den Text angelehnten Musik genial in eine zwingende musikalische Form gießt.
Der Textdichter der Kantate ist unbekannt, wesentliche Teile und Reihenfolge der Textzusammenstellung finden sich bei Johannes Olearius, Christliche Bet-Schule Leipzig 1668, "als Tägliche Seuffzer und Gebet üm ein seliges Ende." Inhaltlich behandelt die Kantate zunächst die Unausweichlichkeit des menschlichen Sterbens, dann die Gewissheit der Auferstehung, um schließlich in den Lobpreis der göttlichen Dreieinigkeit zu münden.
Die einzelnen Abschnitte des Werkes ordnen sich symmetrisch um das textliche und musikalische Zentrum der Komposition, einen fugierten Chorsatz mit Sopransolo und instrumentalem Choralzitat ("Es isr der alte Bund" - "Ja, komm, Herr Jesu"). Die musikalische Logik dieser Folge wird durch tonartliche und besetzungsmäßige Symmetrien noch verstärkt. Die außerordentlich differenzierte Gestaltung der alten musikalischen Formtypen verleiht diesen fast einen neuen Sinn - ein krönender Abschluss einer Epoche wie gleichzeitig ein genialer Aufbruch in Neues.

[Ingo Schulz]


Der Text des Werkes

Coro:
Gottes Zeit,
ist die allerbeste Zeit
In ihm leben und sind wir,
solange er will.
in ihm sterben wir zur rechten Zeit,
wenn er will.

Arioso, Tenore:
Ach Herr,
lehre uns bedenken,
daß wir sterben müssen,
auf daß wir klug werden.

Arioso , Basso:
Bestelle dein Haus;
denn du wirst sterben und nicht lebendig bleiben!

Coro e Arioso:
Es ist der alte Bund: Mensch,
du mußt sterben!
Ja, komm, Herr Jesu!

Aria, Alto:
In deine Hände befehl ich meinen Geist;
du hast mich erlöset,
Herr, du getreuer Gott.

Arioso con Chorale:
Heute wirst du mit mir im Paradies sein.

Alto:
Mit Fried und Freud ich fahr dahin
in Gottes Willen,
getrost ist mir mein Herz und Sinn,
sanft und stille.
Wie Gott mir verheißen hat:
der Tod ist mein Schlaf worden.

Coro:
Glorie, Lob, Ehr und Herrlichkeit
sei dir, Gott Vater und Sohn bereit',
dem heilgen Geist mit Namen!
Die göttlich Kraft
macht uns sieghaft
durch Jesum Christum, Amen. zurück zum Verzeichnis der Texte