"One World, one Music".

David Fanshawe (*1942): African Sanctus für Sopran, Chor, Instrumentalensemble und Tonband

David Fanshawe ist Komponist, Forscher, Musikethnologe, Fotograf und Autor. Er hat zahlreiche internationale Auszeichnungen erhalten.

 

 

Begonnen hat seine Karriere mit der Filmmontage, später dann wandte er sich am Royal College of Music mit John Lambert dem Studium der Komposition zu. 1970 fand er internationale Anerkennung mit Salaams, einem Werk, das auf Rhythmen der Perlenfischer von Bahrain aufbaut. Andere Konzertstücke: Fantasy on Dover Castle, Requiem for the Children of Aberfan, The Awakening, Dona Nobis Pacem.
Neben Gesangsstücken hat er auch die Filmmusik für über 30 Filme und TV-Produktionen komponiert. Eine geglückte Mischung aus Musik und Reisen prägt seine sehr eigenen Werke.
Seiner 10 Jahre dauernden Odyssee durch die Inseln des Pazifischen Ozeans verdanken wir unzählige Filme, Dias und handgeschriebene Hefte, die uns die Musik und mündlich überlieferten Traditionen Polynesiens, Mikronesiens und Melanesiens vermitteln.
Heute lebt er in Wiltshire/Grossbritannien.

African Sanctus ist eine unorthodoxe Fassung der lateinischen Messe, in Einklang gebracht mit traditioneller afrikanischer Musik, die der Komponist auf seinen Nilreisen (1969-1973) aufgenommen hat.

David Fanshawe reiste 1960 das erste Mal nach Afrika. Ihn bewegte die Idee, ein großes Werk zu komponieren, das seine Liebe zum Reisen, zum Abenteuer und zur Tonbanddokumentation vereinen sollte.

In Kairo, auf dem Hügel der Zitadelle stehend und über den Nil blickend, hatte er zum ersten Mal die Vorstellung einer ungewöhnlichen Kombination von westlicher Chormusik mit dem Gebetsruf des islamischen Muezzin. Sein Ziel war es, nilaufwärts bis zum Viktoriasee zu reisen und die traditionellen Lieder, Tänze und Gesänge der ansässigen Stämme auf Tonband aufzunehmen.
Fanshawe fand bald heraus, dass diese Reise nicht einfach sein würde. Eine offizielle Genehmigung, Musik mit dem Tonband aufzunehmen, war praktisch nicht zu erhalten. Zeitweise haben die Behörden seine Ausrüstung konfisziert und ihn unter Spionageverdacht eingesperrt. Trotz aller Hindernisse gelang es ihm schließlich, die Genehmigung zu erhalten und seine Reise, wie geplant, fortzusetzen.

Als er Khartoum erreichte, wandte er sich Richtung Westen, um zu den sagenumwobenen Marra-Bergen zu gelangen, von denen es hieß sie wären das Paradies auf Erden. Dort angekommen hatte er großes Glück, und es gelang ihm, vier in Trance singende Männer, im Mondlicht sitzend, aufzunehmen. "Von da an erhielt die Form und Absicht meiner Reise eine neue Dimension." Danach wandte er sich gen Osten Richtung Rotes Meer.

Fanshawes Reise nahm symbolischen Charakter an: Eine kreuzförmige Pilgerroute, die er "Heilige Reise" nannte. Vom Norden in Kairo bis Khartoum, von dort nach Westen und nach Osten bis hinunter in den Süden nach Uganda und Kenya.

Die Musik aus Ägypten, dem Sudan, Uganda und Kenia ist als Kontrapunkt zum live-Chor, einem Sopran-Solo und einem Instrumentalensemble zu hören. Die Sanctus-Reise, vom Mittelmeer zum Victoria-See und von den Bergen des westlichen Sudan bis zum Roten Meer, wurde zum Gerüst für die Komposition. Bewaffnet mit einem Rucksack und einem Stereo-Aufnahmegerät gelang es David Fanshawe, Musik von gut über 50 Volksstämmen aufzunehmen; dabei arbeitete er schließlich so eng und gut mit vielen örtlichen Gemeinden zusammen, dass sie die Erlaubnis gaben, die Darbietungen speziell für die Nachwelt aufzunehmen. (Die Reise wurde unterstützt vom Ralph Vaughan Williams Trust und vom Winston Churchill Memorial Trust.)

African Sanctus ist ein universales Werk, dessen Wirkung unmittelbar und dessen Botschaft einfach ist; die treibene Kraft ist das Gebet und der feste Glaube an die Maxime "Eine Musik - ein Gott". Es vermittelt sowohl dem Zuhörer als auch dem Aufführenden Afrikas Musik und ihre Verwandtschaft mit westlicher Polyphonie. Für Fanshawe gibt es keine musikalischen Barrieren.

Das Werk besteht aus 13 Sätzen und gibt die geographisch kreuzförmige Pilgerreise des Komponisten wieder, wobei das Kyrie für Kairo steht und das Sanctus für den Norden Ugandas.

"Wie die Lebensweise und das Temperament der Menschen sich von Norden nach Süden änderte, so sollte sich auch der Musikstil meiner Komposition verändern. Die Komposition zu dem "Call to Prayer" Gebetruf aus Cairo sollte musikalisch etwas ganz anderes sein als die Komposition zum Acholi Bwala Dance aus Uganda."

Nach einem kurzen Aufenthalt in England 1970 fuhr David Fanshawe zurück nach Ostafrika. Es dauerte bis zum Frühjahr 1972, bis das Werk geschrieben war und den Titel African Revelations erhielt.

1973 reiste Fanshawe erneut nach Afrika, um weitere Tondokumente zu sammeln. Am 19. April 1973 traf er am Ufer des Viktoriasees einen außergewöhnlichen Mann des Luo-Stammes, Mayinda Orawa, den sogenannten "Hippo-Man". Nach diesem bedeutsamen Zusammentreffen nannte er das Stück African Sanctus.

1974 wurde Fanshawe erneut nach Afrika eingeladen, diesesmal vom Komponisten und Regisseur Herbert Chappel, der, begleitet von einem BBC-Filmteam, Fanshawes Reise durch Afrika dokumentieren wollte.
Acht Jahre nach seiner Konzeption war das Werk vollendet.

"Es war eine wundervolle Reise und ich glaube, der Hippo Man, die Bwala Tänzer, Latigo Oteng, das Kamel, meine "spirituelle Mütze", gesegnet vom Medizinmann persönlich auf dem Hügel der Ewigkeit im Land der Massai, sind alle Teil des Geheimnisses der Schöpfung und des Lebens. Deshalb signiere ich immer mit einem Kamel und dem Motto: Ich liebe die Welt. David Fanshaw"

Sir David Willcocks schreibt: "Sehr verschiedene Kulturen wurden einfallsreich und genial miteinander verbunden. Die Musik ist heute noch genauso aktuell wie damals bei der ersten Aufführung 1972 und die Botschaft vom Frieden und Völkerverständigung genauso relevant."

 

 

Der musikalische Ablauf des Werkes

1.SANCTUS
Bwala-Tanz des Acholi-Stammes, Norduganda, aufgenommen 1969.

Der Bwala-Tanz ist für seine Vitalität und Kraft berühmt. Durch ihn werden die Häuptlinge des Stammes und die vergangenen Siege gerühmt. Früher wurde er viel öfter getanzt als heute, besonders bei Staatsbesuchen von Königen und Würdenträgern. Jeder Krieger schlägt seine eigene Trommel, der "königliche" Trommler sitzt in der Mitte und trommelt mit riesigen Schlegeln. Sein Trommeln hat eine besondere Bedeutung für den Stamm. Die Krieger stampfen und tanzen im Kreis um ihn herum, angefeuert von den Frauen, die sich immer wieder spontan am Tanz beteiligen.
Das Tempo bleibt durchgehend unverändert und besteht aus sieben Zweivierteltakten und einem Dreivierteltakt, die unaufhörlich wiederholt werden. Dazu singt der Chor das Sanctus.

Sanctus, sanctus, sanctus Dominus Deus Sabaoth.
Pleni sunt coeli et terra gloria tua.
Hosanna in excelsis.

Heilig, heilig, heilig, heilig ist der Herr Gott Zebaoth.
Alle Himmel und Erde sind voll seiner Herrlichkeit.
Hosanna in der Höhe.


2. KYRIE - "GEBETSRUF"
Aufnahme aus Kairo, Ägypten, Muezzin der Muhammad Ali Moschee, 1969

Fanshawe stellte seine Fassung des Kyrie direkt neben den Gebetsruf des Muezzin in Des-Dur. Diese Verschmelzung verdeutlicht musikalisch die Verwandtschaft zwischen islamischen und christlichem Glauben - im Glauben an den einen Gott.

Übersetzung des Arabischen:
Gott ist groß
Ich bezeuge, dass es nur einen Gott
gibt.
Mohammed ist sein Prophet.
Kommt, eilt zum Gebet. Kommt, eilt,
das zu tun, was groß vonnöten ist.
Gott ist groß.
Es gibt nur einen Gott.

Kyrie eleison.
Christe eleison.
Kyrie eleison.

Herr, erbarme Dich.
Christe, erbarme Dich.
Herr, erbarme Dich.


3. GLORIA
"Braut des Nils", Hochzeitsmusik südlich von Luxor, Ägypten
Koran-Reztitation, gesungen von Jungen einer Koran-Schule, Arome, Ost-Sudan

Das Gloria beginnt mit der Musik zu einer ägyptischen Hochzeit an den Ufern des Nils. Das Lied lobt die Gäste und segnet das Hochzeitspaar. Zu den berauschenden Rhythmen ruft der Chor den lateinischen Text als Lobpreis Gottes, wie die frühen Christen im Kampf um ihren Glauben. Darauf folgen die hypnotischen Klänge der islamischen Gebetsschule, in der die Jungen das Rezitieren der Koranverse lernen. Die aleatorischen Tonhöhen im Bereich h-Moll münden in ein zusammengesetztes Fugengewebe für a-capella-Chor. Es soll musikalisch die Beziehung zwischen Christus und Mohammed aufzeigen. Hier kommt das erste Mal die Sopranistin hinzu und ergänzt den Chor mit ihrem "goldenen Glanz", um am Ende wie ein Echo in der von Ferne her tönenden Gebetsschule zu verklingen.
Das Stück endet mit einem einstimmigen Choralgesang, der uns das Bild von idyllischem Klosterleben und den Geistern der Vergangenheit heraufbeschwört.

Gloria in excelsis Deo, et in terra pax hominibus bonae voluntatis.
Laudamus te, benedicimus te, adoramus te, glorificamus te, gratias agimus tibi propter magnam gloriam tuam, Domine Deus, rex coelestis, Deus Pater omnipotens, Domine Fili unigenite Jesu Christe. Domine Deus, agnus Dei, Filius Patris, qui tollis peccata mundi, miserere nobis. Qui tollis peccata mundi, suscipe deprecationem nostram. Qui sedes ad dexteram patris, miserere nobis. Quoniam tu solus sanctus, tu solus Dominus, tu solus altissimus, Jesu Christe, cum Sancto Spiritu in gloria Dei patris.

Ehre sei Gott in der Höhe, und auf Erden Frieden, den Menschen, welche guten Willens sind.
Wir loben Dich, wir preisen Dich, wir beten Dich an, wir verherrlichen Dich.
Dank sagen wir Dir, wegen Deiner großen Herrlichkeit.
Herr, unser Gott, himmlischer König, allmächtiger Vater,
Herr, des Vaters eingeborner Sohn, Jesus Christus.
Herr, unser Gott, Lamm Gottes, Sohn des Vaters,
der Du trägst die Sünden der Welt, erbarme Dich unser,
der Du trägst die Sünden der Welt, nimm an unser Gebet.
Der Du sitzt zur Rechten des Vaters, erbarme Dich unser.
Denn Du allein bist heilig, Du allein der Herr, Du allein der Höchste, Jesus Christus.
Mit dem Heiligen Geist in der Herrlichkeit Gottes des Vaters.


4. CREDO
Tanzvorführungen aus West-Sudan
Werbungstänze, Kiata-Trompeten-Tanz und Rezitationen der vier Männer in Trance, Marra-Gebirge

Die Werbungstänze, der Tapferkeitstanz der Frauen und der Kiata-Trompeten-Tanz kündigen die Worte aus der Liturgie "Deo Gratias" und das "Credo" an. Das Schlagzeug hat hier ein schwungvolles und temperamentvolles Intermezzo, während die Kiata-Trompeten zu hören sind. Die sudanesische Kiata ist, wie viele andere Rohrblasinstrumente des Mittleren Ostens, so konstruiert, dass man einen kontinuierlichen Ton erzeugen kann, so lange wie der Spieler es wünscht.
Ein lauter Gongschlag leitet den einzigartigen Gesang der vier Männer in Trance ein. Im Mondlicht auf einer Bergkuppe der Marra Berge sitzend schwangen ihre Oberkörper in Trance vor und zurück, dabei sangen sie Koranverse in einer Mischung aus Arabisch und lokalem Dialekt.
Das Credo kontrapunktiert den Gesang der vier Männer (und ist musikalisch eine Variation des Weihnachtsliedes vom Guten König Wenceslas).
Das Stück vedeutlicht die Hoffnung, dass sich alle Menschen eine Welt teilen können.

Deo Gratis!
Gloria tibi Domine!
Credo in unum Deum, patrem omnipotentem, (Laus tibi Christe) factorem coeli et terrae, visibilium omnium et invisibilium (Gloria tibi Domine!).
Et in unum Dominum Jesum Christum, filium Dei unigenitum ((Gloria tibi Domine!)) et ex patre natum ante omnia saecula (Gloria tibi Domine!), Deum de Deo, lumen de lumine, Deum verum de Deo vero, genitum, non factum, consubstantialem patri, per quem omnia facta sunt, qui propter nos homines et propter nostram salutem descendit de coelis.

Dank sei Gott!
Dir Gott die Ehre!
Ich glaube an den einen Gott, den allmächtigen Vater (Lob sei Dir, Christe), den Schöpfer des Himmels und der Erde, alles Sichtbaren und Unsichtbaren (Dir Gott die Ehre!).
Und an den einen Herrn, Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn (Dir Gott die Ehre!), aus dem Vater geboren vor allen Zeiten (Dir Gott die Ehre!),
Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht geschaffen, wesensgleich dem Vater; durch ihn ist alles geworden; er ist wegen uns Menschen und um unseres Heiles willen von den Himmeln herabgestiegen.


5. ZWISCHENSPIEL
Liebeslied, Piano solo
Hirtenjunge spielt die Bazenkop (Harfe), Ost-Sudan,
Wüstenglocken, die die Geburt eines Sohnes ankündigen, Ost-Sudan

Auf seinem Ritt durch die Wüste Richtung Rotes Meer gelangte Fanshawe auf seinem Kamel zu dem Hadandua-Stamm. Der Scheich Mohammed El Amin Tiriq erlaubte es, die Gesänge seines Volkes zu dokumentieren, und ermöglichte es ihm, eine zeitlang im Zeltlager der Hadandua-Beduinen zu leben. Eines Nachts hörte er einen Hirtenjungen zurückkehren, der auf seinem Kamel saß, eine 5-seitige Harfe im Arm hielt und dabei ein wunderschönes Liebeslied sang.
In diesem Zwischenspiel entwickelt das Piano die inhärenten Harmonien und Rhythmen des Liebesliedes weiter. Der Klang der Bazenkop in der Tonart f-Moll ist wie eine Offenbarung, die aus der Wüste kommt. Am Ende des Stückes hört man, wie eine Hadanduan-Mutter kleine Glöckchen erklingen lässt, ein altes Ritual, das die Geburt eines Sohnes verkündet. Die Glöckchen sollen das Kind beschützen und den Bösen Blick vertreiben. Dies ist ein ergreifender Moment im African Sanctus, er symbolisiert die Geburt Jesu.

Deutsche Übersetzung des Hadandua-Liebesliedes (aus der englischen Übersetzung von Scheich Mohammed el-Amin Tiriq), Ostsudan.
1. Wenn sie an dir vorbeigeht, strömt sie einen solchen Duft aus, dass er dich nie verlässt, nicht einmal, wenn du schläfst. Wenn du morgens aufwachst und dich bewegst, musst du aufpassen, dass du dich nicht zuviel bewegst, sonst kommt er vielleicht aus deinem eigenen Atem. Wenn du sie liebst, werden andere das riechen, und Männer werden sich in sie verlieben, und Frauen werden neidisch werden.
2. Sie hat alle anderen Mädchen in allen Eigenschaften übertroffen, und ihre Hände, wenn sie geht, als trüge sie einen goldenen Stock, sind so bewundernswert, dass man dem Wunsch nicht widerstehen kann, sie zu berühren.
3. Warum schenkst du ihrer Mutter ein buntes Baumwolltuch, als schenktest du einer Hündin Essensreste? Mensch, du sollst reine, mit Goldfaden verflochtene Seide schenken.
4. Ihrem Hochzeitsgefolge ist Ehrfurcht zu gebühren, wie einem Schiff, das mit prachtvollen Männern gefüllt ist, die bereit sind, ihre Genossen an der Front zu verteidigen.
5. Diese weißen Zähne & 8211; wären sie je durch irgendwas beschmutzt, verlören nie das Lächeln.
6. Ihre Finger sind so, dass ich plötzlich ohnmächtig wurde, als ich die Ringe schüttelte, die zur Verschönerung jener glatten, geschmeidigen Finger, wie ohne Knochen geschaffen, nie hätten getragen werden dürfen.


6. ET IN SPIRITUM SANCTUM
Aufnahmen aus Nord-Uganda: Froschkonzert. Christliche Flüchtlinge aus dem Süden Sudans singen das "Lied vom der Flucht"

Der Froschgesang wurde in den Sümpfen des südlichen Nils im äquatorialen Afrika aufgenommen.
Dann hört man die Flüchtlingsfamilie erst wortreich abstimmen, welches Lied gesungen werden soll. Das Lied, auf das man sich schließlich einigt, erzählt vom HERRN und dem Retter Jesus Christus, der sie erlöst hat vom Terror und den Kriegswirren ihrer Heimat. Harmonisch ergänzt wird das Lied von den Sopran- und Altstimmen des Chores. Das Lied der Flüchtlinge, das von den Beschwernisse ihrer Flucht handelt, wird begleitet von einem Daumenklavier, einer improvisierten Trommel (eine Flasche, die auf den Erdboden geschlagen wird) und einer volkloristischen Trommel.
Diese erzählende Deutung spiegelt den Einfluss christlicher Missionare in Afrika.

Et in Spiritum Sanctum Dominum et vivificantem, qui ex patre filioque procedit.

Und an den heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender, der aus dem Vater und dem Sohne hervorgeht.


7. CRUCIFIXUS: REGENLIED
Aufnahme aus Uganda: Tropisches Gewitter und "Regenlied", gesungen von Latigo Oteng, Gulu.

Mit dem "Dingi-Dingi-Tanz" aus Uganda besingen halbwüchsige junge Mädchen ihren auserkorenen Krieger. Ein plötzlich einsetzendes, heftiges tropisches Gewitter unterbrach sie. Dieses Naturereignis bewog Fanshawe zu seiner Kruzifix-Interpretation. Durch den heftigen Regen hindurch hörte er Stimmen laut schreien "Kreuziget ihn". Die Gewalt des Sturmes spiegelte für ihn den erbitterten Bürgerkrieg im Süden Sudans wider.
Fanshawe flüchtete sich vor dem Regen in ein nahegelegenes Haus. Den Besitzer, ein bekannter Musiker namens Latigo Oteng, fand er singend vor. Dazu spielte Latigo auf seiner siebenseitigen Enanga-Harfe. Im Cruzifixus ist die Sopranistin der Kontrapunkt zu Latigos Solo, sie singen zusammen wie in einem Duett. Es klingt, als ob ein Engel über die entfesselten Naturgewalten triumphiert und die Geschichte der Kreuzigung Jesu Christi erzählt.
Das Regenlied wird begleitet von Instrumenten, die eine Atmosphäre des Unfriedens heraufbeschwören, immer wieder vom sudanesischen Kriegsgeschrei durchbrochen. Elektrische Gitarren setzen mit ihrem Solo ein und verstärken den Klang der Harfe. Das Klavier ist ebenfalls äußerst wichtig. Der Chorgesang ist in acht Abschnitte geteilt, die sich bis zum Höhepunkt des Gewittersturmes steigern. Das erzeugte Klanggewebe, bedrohlich und kriegerisch, wird unaufhörlich forciert und löst sich schließlich in der Verheißung von Auferstehung und Ewigem Leben auf.
Genau hier liegt der Mittelpunkt, die Achse des gesamten Werkes. Danach folgt Stille und die Sonne bricht wieder durch die Wolken.

Crucifixus!
Et incarnatus est de Spiritu Sancto ex Maria virgine, et homo factus est. Crucifixus etiam pro nobis: sub Pontio Pilato passus et sepultus est. Et resurrexit tertia die secundum scripturas, et ascendit in coelum, sedet ad dexteram patris.

Kreuzigt ihn!
Und er ist Fleisch geworden vom Heiligen Geist aus Maria, der Jungfrau,
und ist Mensch geworden; gekreuzigt wurde er sogar für uns unter Pontius Pilatus, hat gelitten und wurde begraben; und er ist auferstanden am dritten Tag gemäß den Schriften und hinaufgestiegen in den Himmel; er sitzt zur Rechten des Vaters.


8. SANCTUS
Aufnahme des Acholi Bwala-Tanzes der Bunyoro-Fischer, begleitet vom Bunyoro-Xylophon, Kyogo-See, Uganda

Afrikaner feiern alles, Siege, das Aufkommen des Regens, es gibt nichts, was sie nicht feiern würden! Es erschien also passend im Kontext des Werkes, dass es nach dem Sturm einen Tanz geben sollte. Dies führte zur Originalversion des Sanctus, die mit Xylophonen (Madinda genannt) und dem Bwala-Tanz, dem königlichen Tanz Ugandas, konzipiert war. Dieses Stück ist von der Klangfarbe her leichter, nimmt alle Klänge auf, sowohl afrikanische als auch europäische, und ist fröhlich und heiter; es hat genau die Stimmung eines afrikanischen Ngoma-Tanzes. (Ngoma heißt wörtlich übersetzt "Trommel" und steht als Synonym für alle tradionellen Formen des Tanzes, Gesanges und Trommelns in Tansania).
Das Sanctus, der Hauptsatz des Werkes, hat zwei Wiederholungen mit Variationen.
Der hier aufgezeichnete Bwala Tanz wird begleitet von 6 Musikern, die das phantastische Madinda-Xylophon virtuos spielen. Dieses aussergewöhnliche Instrument wird aus Kanuplanken hergestellt, die quer über zwei Stämmen einer Banananstaude ausbalanciert werden. Chor und Ensemble kontrapunktieren die ugandischen Musiker; in den Noten steht die Anweisung: Kräftig und feierlich.

Sanctus, sanctus, sanctus Dominus Deus Sabaoth.
Pleni sunt coeli et terra gloria tua.
Hosanna in excelsis.

Heilig, heilig, heilig, heilig ist der Herr Gott Zebaoth.
Alle Himmel und Erde sind voll seiner Herrlichkeit.
Hosanna in der Höhe.


9. VATER UNSER (OFFERTORIUM)
Klagegesang für einen toten Fischer, Kyoga-See, Uganda 1969

Obwohl es kein Teil der Messe ist, nimmt das Vaterunser die Stelle des Offertoriums ein und wurde komponiert als Antwort auf den Klagegesang einer Mutter über ihren toten Sohn.
Eines Tages, als Fanshawe mit einem wenig bekannten Stamm, den Samia, zum Fischen ausgefahren war, hörten sie plötzlich durch die Papyrussümpfe des Seeufers (Victoriasee) eine entfernte Stimme weinen. Sie wateten an Land durch die Sümpfe, bis sie auf eine Lichtung mit einer kleinen afrikanischen Hütte kamen, die von Leuten umgeben war. Sie weinten alle. Als er in die Hütte ging, fand er die Leiche eines Fischers. Zu seinem Kopf sang seine Mutter und zu seinen Füßen trauerte seine Frau "Ach, mein Sohn! Ach mein Sohn! Ach, was ist es? Ach mein Sohn!".
Fanshawe war unbehaglich zumute, sein Aufnahmegerät herauszuholen, aber er hatte das Gefühl, dass er dieses herzzerreißendste aller Lieder unbedingt aufnehmen müsste. Dort zu stehen und auf den Fischer herabzusehen, rührte ihn sehr, und er stellte sich eine Stimme vor, die das Vaterunser singt.
Dieses Stück repräsentiert den südlichsten Teil der Sanctus-Reise entlang des Nils, wo viele Menschen Englisch sprechen und zu Gott in den Kirchen singen. Die Aufnahme wird von der E-Gitarre mit einer zweiten Melodiestimme begleitet. Einen Kontrast dazu bilden im Mittelteil der Chor und die Solistin, die sich zu einem dramatischen Höhepunkt steigern:
"Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit."
Das Stück endet mit der Wiederholung des Anfangs vom Vaterunser.

Klagelied für einen toten Fischer des Kyogasees, Uganda:
"Ach, mein Sohn!
Ach mein Sohn! Ach mein Sohn!
Ach, was ist es?
Ach mein Sohn!"

Our father who art in heaven, Hallowed be Thy Name, Thy Kingdom come, Thy will be done, on earth as it is in heaven.
Give us this day our daily bread, and forgive us our sins, as we forgive the sins of them who sin against us.
Lead us not into temptation but deliver us from evil: For thine is the Kingdom and the Power and the Glory.

Vater unser, der du bist im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser täglich Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit.


10. CHORAL
Aufnahmen aus Kenia/Uganda: Massai-Milking-Song; Turkana-Hirtenlied; Karamoja-Lied über den Fluss; Ritueller Begräbnistanz der Luo

Nach dem Lateinischen Choral führt das Stück wieder zurück in die Wildnis, die Natur, und zu den Klängen, die an den Staub Afrikas, an den Charme und den Humor des Landes, seine Heiterkeit, seine Tragödien erinnern.
Leider geraten die Lieder Afrikas mehr und mehr in Vergessenheit. Die Musik, die Fanshawe so zu schätzen und lieben gelernt hat, verschwindet. Das ist mit ein Grund, warum er die dringende Notwendigkeit gespürt hat, diese Schätze zu bewahren.

Milking-Song, aufgenommen in einem Massai-Manyatta Dorf, Kenia, 1972:
Wenn die Frauen bei Sonnenuntergang ihre Kühe melken, singen sie ein Lied, das ihre Dankbarkeit ausdrückt. "Ich verehre Dich, meine Lieblingskuh, Du versorgst uns mit allem."

Lied des Flusses, Karamoja, Uganda, 1969:
Das Lied erzählt vom westwärts fließenden Onaminam. "Der Fluss biegt die Bäume wenn er überflutet. Hor Hor! Der Fluss biegt die Bäume, wenn er fließt. Hor, Hor. Er fließt in den See, er ist in den See geflossen, Yeh!"

Rinder-Lieder, Turkana, Kenia, 1970
In einem trockenen Flussbett im weiten Norden des Turkanalandes singen die Hirten Lieder über ihre tiefe Zuneigung zu ihren Tieren. Während der Mittagshitze sitzen sie im Schatten der Bäume und singen.

Ritueller Begräbnistanz der Luo, West-Kenia, 1973
Mitglieder des Luo-Stammes geben einem toten Krieger die letzte Ehre, indem sie seinen getöteten Körper kreisförmig umtanzen. Sie kommunizieren mit den Geistern der Vorfahren und spielen dazu Kalebassenhörner, Flöten, Rasseln Pfeifen und Trommeln. Der Anführer des Luo-Stammes, Mayinda Orawo, wird lievevoll "Hippo Man" genannt.

Quia tuum est regnum, et potestas et gloria in saecula.

Denn dein ist das Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit.


11. AGNUS DEI
Hadandua-Kriegstrommeln in der Wüste, Ost-Sudan

Das Agnus Dei drückt ein umfangreicheres Bild von Afrika aus, als wir es heute kennen. Es verdichtet die Menschlichkeit, das Leiden, die Differenzen und Ungerechtigkeiten zwischen den Stämmem, die Bedrängnis der Flüchtlinge in Ländern wie Sudan und Ruanda. All diese Ungerechtigkeiten werden repräsentiert durch die aus der Ferne klingenden Kriegstrommeln. Die schaurig schallenden Kupfertrommeln hallen noch nach, wenn der Chor einsetzt in Akkord-Clustern und das Agnus Dei beginnt. Das Sopran-Solo übersteigert den Chor mit einem Rezitativ, das sich aufbaut zu einer schrillen Phrase der Überzeugung, "Jesu Christe!", was vom erneut einsetzenden Muezzin beantwortet wird. Diese Dualität wiederholt das fundamentale Ethos des African Sanctus. Der Klang der Kriegstrommeln erstirbt, der Frieden bleibt.

Agnus Dei qui tollis peccata mundi miserere nobis.
Quoniam tu solus sanctus, Tu solus Dominus, Tu solus altissimus, Jesu Christe Dominus, Jesu Chiste.

Lamm Gottes, Du nimmst hinweg die Sünden der Welt. Erbarme Dich unser.

Denn Du allein bist heilig, Du allein der Herr, Du allein der Höchste, Jesus Christus, Herr, Jesus Christus.


12.KYRIE- "GEBETSRUF"
Aufnahme aus Kairo, Ägypten, Muezzin der Muhammad Ali Moschee, 1969

Obwohl die Komposition so ziemlich die gleiche ist wie bei Nummer 2, ist die Nebeneinanderstellung von Aufnahme und Aufführung eine gänzlich verschiedene. Das Tempo vermittelt eine Athmosphäre von Raum- und Zeitlosigkeit, die die Einigkeit des Glaubens durch das Gebet ausdrückt.

(Texte vgl. Nr. 2)


13. FINALE & GLORIA
Acholi Bwala-Tanz, Uganda

Das Werk endet mit einer spektakulären Wiederkehr des Sanctus und des Gloria, begleitet von der stampfenden Energie der Bwala-Tänzer. In den Noten steht die Anweisung: Mit Kraft, Rhythmus und Ausgelassenheit. In diesem Schlusssatz sind alle beteiligt, den Geist des Bwala-Tanzes zu verstärken. Das Ende des Werkes fasst noch einmal alles zusammen: Gelobt seien die Acholi Bwala-Tänzer. Gelobt sei Afrika.

Sanctus, sanctus, sanctus Dominus Deus Sabaoth.
Pleni sunt coeli et terra gloria tua.
Hosanna in excelsis.
Gloria Deus Sabaoth. Pleni sunt coeli et terra gloria.

Heilig, heilig, heilig, heilig ist der Herr Gott Zebaoth.
Alle Himmel und Erde sind voll seiner Herrlichkeit.
Hosanna in der Höhe.
Ehre dem Herrn Zebaoth. Alle Himmel und Erde sind voll seiner Herrlichkeit.


Ausführliches Material zum African Sanctus (auf Englisch): African Sanctus Homepage