Auch in den Jahren relativer wirtschaftlicher Stabilität zwischen 1924 und 1928 war die Arbeitslosenzahl in Deutschland sehr hoch und eine allmähliche politische Radikalisierung unübersehbar. In Kreuzberg als Arbeiterbezirk waren die Linksparteien SPD und KPD traditionell stark vertreten und bildeten zusammen die Mehrheit im Bezirksamt und in der Bezirksverordnetenversammlung. Sie hatten ebenso wie die SA und SS ihre bestimmten Lokale und abgesteckten Reviere. Es kam immer wieder zu Übergriffen und schweren Auseinandersetzungen der verschiedenen politischen Gruppierungen. Der Lausitzer Platz war oft Schauplatz solcher Auseinandersetzungen. Die Stufen zum Eingangsportal der Kirche bildeten die Rednertribüne für kommunistische Agitatoren. Wiederholt hat sich der GKR wegen der "Kommunisten-Reden" an die Polizei gewandt. Man klagte über Störungen des Gottesdienstes. In der Chronik der Kindergottesdienste sieht man die Ursachen "des sehr geringen Besuches in den Jahren 27/28 und besonders 1929 in den planmäßigen Veranstaltungen von Platzkonzerten und Umzügen der Rotfrontkämpferverbände, die immer gerade in den Sonntagsmittagsstunden stattfanden, durch welche die Kinder teils selbst angelockt wurden und sich den Aufmärschen anschlossen, teils auch von den besorgten Eltern am Besuch der Kindergottesdienste zurückgehalten wurden, damit sie nicht bei evtl. Zusammenstößen der Linksverbände mit politisch Andersdenkenden in Gefahr kämen. Daß dem so sein kann, erhellt die Tatsache, daß bei den 1927 u. 28 in Berlin abgehaltenen Rotfronttreffen zu Pfingsten infolge der ungeheuren Ansammlungen vor unserer Kirche, es nur 105 resp. 115 Kindern möglich war, zum Gotteshause zu gelangen."
Erst jetzt, als es schon zu spät dafür war, versuchte die Kirche die Arbeiter und ihre Probleme stärker in ihr Handeln einzubeziehen. Das GKR-Protokoll vom 28. Januar 1929 vermerkt: "Das Konsistorium bittet bei der Wahl zu den Synoden Arbeiter zu berücksichtigen." In der Emmaus-Gemeinde bildete sich 1930 ein Evangelischer Arbeiterverein. Seine Jahresfeste werden einige Male erwähnt. Nach 1933 verliert sich seine Spur in den Protokollbüchern des Gemeindekirchenrats.
Grundsteinlegung für das Gemeindehaus am 19. Oktober 1930
Es kündigen sich bedrohliche Zeiten an. Aber noch einmal hat die Emmaus-Gemeinde etwas zu feiern: Am 6. September 1931 wird ihr neu erbautes Gemeindehaus in der Wrangelstraße eingeweiht. Ein lang gehegter Wunsch ging damit endlich in Erfüllung. Seit Bestehen der Gemeinde hatte man sich um solch eine Stätte bemüht. Bereits 1895 stand ein geeignetes Haus in der Skalitzer Straße in Aussicht. Aber die Gemeinde hatte kein Geld, um es zu kaufen. Man kämpfte noch mit den Kirchbauschulden. Mindestens seit dieser Zeit aber bestand eine Kasse für den Gemeindehausbau, in die stattliche Spenden flossen. Die Inflation dürfte auch sie zunichte gemacht haben, denn der Gemeindehausbau wurde von der Berliner Stadtsynode bezahlt (ca. 150.000 M). Wegen des Grundstücks an der Wrangelstraße stand man schon seit 1925 mit dem Jerusalemstift in Verhandlungen. Aber erst 1927 genehmigte die zuständige kirchliche Finanzbehörde den Kauf. In das neue Haus zogen die Gemeindeschwestern, der Kindergarten und die Jugendarbeit mit Jungen und Mädchen ein. Auch für eine Kirchendienerwohnung war gesorgt.
In der Zeit zwischen den Weltkriegen hatte auch ein Wechsel in der Pfarrerschaft von Emmaus stattgefunden. Noch während des Krieges war Albert Pauli, einer der ersten beiden Emmaus-Pfarrer, gestorben. Sein Nachfolger wurde 1917 Hermann Freybe, wohl einer der eindrücklichsten Pfarrer von Emmaus. Er genoß große Achtung und außerordentlichen Respekt in der Gemeinde. 1928 schied Hermann Walkhoff aus, der seit 1906 an Emmaus tätig gewesen war und vor allem die Frauenvereine und die weibliche Jugend betreut hatte. An seine Stelle trat im selben Jahr Pfarrer Martin Huhn, dessen Mut und Unbeugsamkeit während der Zeit der braunen Barbarei die Gemeinde Außerordentliches zu danken hat. Kurz nach ihm, im Februar 1930, kam Pfarrer Wilhelm Antoni nach Emmaus und löste Karl Nierhoff, den letzten der Pfarrer aus den Gründerjahren von Emmaus, ab. Pfarrer Antoni war offenbar kein unumstrittener Mann. Möglicherweise lagen die Irritationen, die sein Verhalten mitunter auslöste, in einer psychischen Veranlagung, die mit den Jahren pathologische Züge bekam. Seine letzten Jahre verbrachte er als psychisch und geistig gebrochener Mann in einem Heim.