Im Frühjahr 1890 konnte endlich mit den Bauarbeiten begonnen werden, und schon am 5.Juni 1890 erfolgte die feierliche Grundsteinlegung. Der schon erwähnte Wilhelm I. war im März 1888 gestorben, sein Sohn starb kurz darauf, so daß schließlich im Juni sein Enkel Wilhelm II. unerwartet seine Nachfolge antrat. Die Gemeinde hätte den jungen Monarchen bereits zu diesem Anlaß gerne in ihrer Mitte gesehen, doch der ließ sich vertreten durch einen entfernten Vetter, den Prinzen Friedrich Leopold. Der anfangs so zügig voranschreitende Bau kam sogleich nach diesem Ereignis ins Stocken. Bis zum Frühjahr 1891 wurde ihm die baupolizeiliche Genehmigung entzogen. Es hatte viele Aufregungen gekostet und großer Anstrengungen bedurft, bis endlich im Sommer 1893 die Einweihung der Kirche in Aussicht stand. Einladungen wurden versandt, Telegramme mit Terminvorschlägen aus dem Kabinett "Ihrer Majestät der Kaiserin" jagten einander und schließlich stand der Einweihungstermin für Sonntag, den 27. August, 10 Uhr fest. Beide Majestäten, Kaiser Wilhelm II. und Kaiserin Auguste Viktoria, beehrten die Emmausgemeinde mit ihrem Erscheinen.
27.8.1893, Ankunft der Kaiserpaares
"Die Post", eine längst vergessene Tageszeitung, berichtet schon am nächsten Tag in aller Ausführlichkeit von dem Ereignis: "Der Lausitzer Platz und die angrenzenden Straßen hatten Flaggenschmuck angelegt: zwischen der alten Kapelle und der neuen Kirche war ein Podium für die Kinder der benachbarten Gemeindeschulen errichtet, die das Gotteshaus umgebenden Wege waren mit Tannenreisig bestreut, das Hauptportal war von einem Blumenhain umgeben. Auch das Innere der Kirche prangte im Festschmuck." Nach einer schier endlosen Aufzählung all der anwesenden Ehrengäste und Honoratioren fährt der Bericht fort: "Kurz nach 9 Uhr rückte mit klingendem Spiel die aus der 1. und 2. Kompagnie des 4. Garderegiments gebildete Ehrenwache unter dem Kommando des Hauptmanns von Bülow an und nahm vor der Westfront der Kirche Aufstellung." Vor Beginn der Feier wurden Auszeichnungen vergeben; so erhielt Pfarrer Grauenhorst "den Rothen Adlerorden 4. Klasse", "Allgemeine Ehrenzeichen" wurden an einige Älteste vergeben, eines erhielt bemerkenswerterweise auch der Maurerpolier Lauterbach. Wir erfahren weiter, daß sich Kaiser und Kaiserin mit einem Sonderzug von Potsdam aus zunächst auf den Görlitzer Bahnhof begeben hätten. "Der Kaiser hatte die Uniform des 4. Garde-Regiments angelegt und trug die Kette des Schwarzen Adlerordens. Die Kaiserin erschien der Hoftrauer wegen in Schwarz." Nun wird mitgeteilt, wer alles sich im Gefolge der "Allerhöchsten Herrschaften" befand, die am Bahnhof einen "Offenen Wagen á la Daumont" bestiegen hatten und "unter dem Geläute der Glocken und dem Rühren des Spiels nach dem Gotteshause" fuhren. "Vor der alten Kapelle fand zunächst eine kurze Begrüßung Ihrer Majestäten durch die Spitzen der Behörden, die Geistlichkeit und die Mitglieder der Gemeindeorgane statt. Während sodann Se. Majestät der Kaiser die Front der Ehrenwache abschritt, unterhielt sich Ihre Majestät in huldvollster Weise mit dem General-Superintendenten Faber und dem Superintendenten Hübner, sowie mit Geh. Rath Orth. (... ) Dann schritten beide Majestäten dem Hauptportal der neuen Kirche zu, an dem als Ehrenjungfrauen die Damen Bertha Biebendt, Schmeißer, Scheibe, Krause, Urban und Elfriede Schulze Aufstellung genommen hatten. Die erstgenannte Dame trat vor und überreichte Ihrer Majestät der Kaiserin ein Marschall-Niel-Rosenbouquet mit den Worten: Geruhen Majestät, die duftigen Kinder der Natur als Gruß der Emmausgemeinde gnädigst anzunehmen; möge die fürsorgliche Liebe Eurer Majestät der Gemeinde dauernd erhalten bleiben." Es erfolgte nunmehr der feierliche Akt der Kirchenöffnung. Regierungs-Bauführer Kolberg trat mit dem blau-seidenen Kissen, auf dem der goldene Schlüssel lag, vor, Geheimer Rath Orth nahm ihn und reichte ihn Seiner Majestät dem Kaiser mit dem Wunsche dar, daß das neue Gotteshaus, eins der größten Berlins, ihm gefallen möge. Der Kaiser gab mit Worten der Freude über das vollendete Werk den Schlüssel dem Generalsuperintendenten Faber, der durch P. Grauenhorst die Kirche öffnen ließ. Beim Eintreten der Majestäten intonierte der Koslecksche Bläserbund einen Chor von Händel. Nach der vom Domchor unter Prof. Beckers Leitung gesungenen Motette 'Erhaben, 0 Herr' sang die Gemeinde unter Posaunenbegleitung den Choral 'Lobe den Herrn'. Die Weihe vollzog hierauf der Generalsuperintendent Faber im Anschluß an das Weihegebet, das die Kaiserin in die Altarbibel geschrieben. 'Bleib bei uns, denn es will Abend werden'. Die Liturgie hielt Superintendent Hübner, die erste Predigt P. Grauenhorst über das von der Kaiserin in die Kanzelbibel geschriebene Wort aus Jer. 5.3, 'Herr, Deine Augen sehen nach dem Glauben'. Gebet und Segen sprach Generalsuperintendent Faber. Mit Gesang, Orgelspiel und Geläut der Glocken schloß die Feier. Nach dem Parademarsch der Ehrenwache fuhren die Kaiserlichen Majestäten nach dem Schloß."
Das Innere der Kirche 1893
Blick über die Kanzel zum Ausgang
Die neue Kirche konnte sich allerdings sehen lassen. Mit ca. 2.600 Sitzplätzen und 500 Stehplätzen hatte es einen der größten Gottesdiensträume der Stadt. Allein die Orgelempore faßte 400 Plätze. Vor der Orgel war genügend Raum für ein Orchester - dies und die sehr gute Akustik machten Emmaus bald zu einem Ort besonderer Musikpflege in Berlin. Vom Inneren der Kirche und ihren Dimensionen vermittelt uns die Festschrift aus Anlaß des 50jährigen Gemeindejubiläums aus dem Jahre 1937 folgendes Bild: "Das Innere der Kirche macht einen sehr feierlichen Eindruck, die Raumverteilung ist eine durchaus günstige. Beim Eintritt durch das mit dem großen schönen Mosaikbild des Auferstandenen und der beiden Emmaus-Jünger geschmückte Hauptportal hat man gleich den Blick in die Gewölbe des Mittelraumes und in den farbig verglasten Kuppelbau hinein. Die Kanzel steht in der Mitte. Um sie bildet sich ein Achteck von 19,5 m Weite. Die Länge des Baues beträgt 56,72 m, die Breite der Achse der Konfirmandensäle zu beiden Seiten des Turmes 32,16 m, die Breite des Langschiffes 23,42 m die Breite in der Achse der Kuppel 31,96 m und die Höhe der Kuppel selbst 44,27 m. Die vier bronzenen Kronleuchter im Achteck mit ihren vielen elektrischen Birnen gewähren schon bei Tage einen schönen Anblick. Das Tageslicht fällt durch zahlreiche, zumeist weiß verglaste Fenster ein. Die drei Fenster in der Altarnische, je 20 qm groß, sind in der Charlottenburger Glasmalerei ausgeführt", das mittlere Fenster stellte Christus dar und war ein Geschenk der Kaiserin, das linke Johannes den Täufer und das rechte Moses. Alle drei Fenster sind von einem Maler Heymacher entworfen worden. Das Mosaik mit der Emmaus-Szene über dem Portal an der Südseite des Turmes - heute die einzig noch vorhandene greifbare Erinnerung an die alte Kirche - gilt als "eines der wenigen erhaltenen Mosaikwerke des Glaskünstlers und Malers Mohn".
Für die prächtige Innenausstattung hatte die Gemeinde allein 36.000 Mark durch Sammlungen aufgebracht. Bedeutende Teile wurden ihr darüber hinaus von wohlhabenden Gönnern zum Geschenk gemacht, zum Beispiel der Altar mit seinem marmornen Figurenschmuck im Werte von 20.000 Mark, der Taufstein im Wert von 15.000 Mark - beides Werke eines Bildhauers mit Namen Tondeur - und die Orgel, ebenfalls im Wert von 20.000 Mark. Die holzgeschnitzte Kanzel war eine Stiftung der kirchlichen Gemeindeorgane.