Die 7 Werke der Barmherzigkeit

Hungrige speisen

Hungrige speisen

Durstige tränken
Fremde beherbergen
Nackte kleiden
Kranke pflegen
Gefangene besuchen
Tote bestatten

 

Wenn aber der Menschensohn kommen wird, so wird er sagen: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben. Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.

Ich führe ein Trauergespräch und sie erzählt, daß es ihr auf die Nerven geht, wenn in der Szene immer vom "Goldenen Schuß" geredet wird. Das war kein "Goldener Schuß". Das war ein dreckiges Ende, das so nicht hätte sein sollen.
Sie ist hochschwanger und erwartet ein Kind von dem Verstorbenen. Sie kann nicht mehr weinen, die Tränen fließen einfach nicht mehr.
Ein Freund ist dabei. Er hatte damals den Notarzt gerufen, als er merkte wie gefährlich es wird. Dann ist er weggegangen, weil er Angst hatte vor der Polizei.
Doch der Arzt kam zu spät. Er fand einen Toten. Alkohol und Heroin, die Mischung war zu stark, da konnte keiner mehr helfen.
Stück für Stück entfaltet sich im Gespräch ein kompliziertes Geflecht aus Versagen und Sehnsucht, aus Trauer und Verzweiflung.
Das ungeborene Kind war die Zentralfigur in der Erzählung.
Die Schwangerschaft war seit langem die erste gute Zeit für ihn. Das Kind war ein Ziel, auf das hin es sich zu leben lohnte. Erstmals sprach er davon, die Drogen sein zu lassen.
Bei einer Möbelfirma hatte er einen Job als Packer gefunden und häufig brachte er irgendwelche geschenkten Möbel mit, die für das Kinderzimmer sein sollten.
Daß er Pläne schmiedete, das war etwas Neues! Seit seiner Kindheit hatte er sich abgewöhnt nach vorn zu sehen. Da war eh nur Finsternis. Helligkeit empfand er bestenfalls im Augenblick.
Doch das war nun anders. Er wurde Vater. Zum ersten Mal.
Das Bild vom Ultraschall zeigte er herum, als wolle er seine Ähnlichkeit mit dem Kind bestätigt haben.
Er war sich sicher, daß er mit dem Kind auch von der Nadel kommt. Er wollte nicht, daß das Kind einen Junkie zum Vater hat. Bis zur Geburt wollte er clean sein.
Ab und an verkündete er schon, daß es geschafft sei, doch immer wieder gab es einen Rückfall, immer wieder gab es eine Gelegenheit an Stoff zu kommen, immer wieder gab es irgendeinen alten Kumpel, der ihn nicht so rasch loslassen wollte ans andere Ufer.
Der Tag an dem das Unglück geschah begann sehr gut. Er hatte mal wieder bei einem Umzug mitzuhelfen, und er bekam das Geld gleich auf die Hand. Einhundertfünfzig Mark.
Er war allein. Die Freundin war verreist und er in ganz merkwürdiger Stimmung. Das sagte uns der Freund, den er besucht hatte an diesem Tag.
Abschied nehmen vom alten Leben, wollte er. Mit diesen Worten kam er ins Zimmer. Das Geld hatte er aufgeteilt: für einen Teil hatte er Alkohol gekauft, für einen anderen Heroin und für den Rest Futter für seinen Hund.
"Dieser Hund, das ist mein Übungsbaby," sagte er manchmal. "Der hat noch nie gehungert," prahlte er stolz, wenn jemand daran zweifelte, ob er ein Kind ernähren könne. "Ich kann noch so unter Druck stehen, ich weiß daß der Hund mich braucht, für ihn ist immer Fressen da, selbst wenn ich Kohldampf schieben muß."
Der Hund war auch da, als der Notarzt kam. Er saß ganz treuherzig bei seinem Herrn und wartete, daß der sich endlich aus dem Rausch erhebt.
Doch ein Erwachen gab es diesmal nicht. Der Stoff war unerwartet rein, und in Verbindung mit dem Alkohol war es für den geschwächten und schon leicht entwöhnten Körper einfach zuviel gewesen.
Der Hund ist auch dabei, als wir das Gespräch führen. Er sieht uns an, als könne er jeden Satz verstehen.
"Sein Leben war so verpfuscht", sagt die Freundin plötzlich, und es kullern doch noch ein paar Tränen über ihre Wangen.
Dann lächelt sie ein wenig und sagt: "Aber einen gibt es, der für ihn sprechen wird, wenn er vor Gott steht: der da, der Hund!
- Und so ein Hund ist doch schließlich auch ein Geschöpf Gottes - oder zählt das etwa nicht?"